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Beim Leben meiner Schwester
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Autor:  Regenschein [ 05.01.2010, 16:22 ]
Betreff des Beitrags:  Beim Leben meiner Schwester

Ich habe da etwas entdeckt, was ich euch gerne zeigen würde.
Es handelt sich um einen Ausschnitt aus dem Buch "Beim Leben meiner Schwester" von Jodi Picoult.
Ich habe mir die Stelle damals rausgeschrieben, weil sie meiner Meinung nach sehr zum Nachdenken anregt.


Es geht um eine Familie, wie sie versucht mit dem Krebs der ältesten Tochter umzugehen.



"An einem Samstagmorgen ist die Zimmertür der Mädchen nur angelehnt. Ich klopfe leise. "Lust auf einen Einkaufsbummel?"
Kate zuckt die Achseln. "Jetzt nicht."
Ich lehne mich gegen den Türrahmen. "Täte dir gut, mal ein bißchen rauszukommen."
"Keine Lust." Obwohl ich sicher bin, daß sie selbst es nicht mal merkt, streicht sie sichmit der flachen Hand über den Kopf.
"Kate", setze ich an.
"Sag es nicht. Erzähl mir nicht, daß die Leute mich nicht anstarren werden, denn das werden sie. Erzähl mich nicht es ist egal, denn das ist es nicht. Und erzähl mir nicht, daß ich gut aussehe, denn das ist gelogen." Ihre wimpernlosen Augen füllen sich mit Tränen. "Ich bin ein Freak, Mom. Sieh mich doch an!"
Ich tue es und ich sehe die Stellen, wo die Augenbrauen einmal waren, und die Wölbung ihrer endlosen Stirn und die kleinen Dellen und Beulen, die normalerweise unter den Haaren versteckt sind. "Na", sage ich ruhig. "Das lässt sich ändern."
Ohne ein weiteres Wort marschiere ich die Treppe hinunter, weil ich weiß, daß Kate mir folgen wird. Unten komme ich an Anna vorbei, die ihre Buntstifte fallen lässt, um hinter ihrer Schwester herzutrotten. Im Keller krame ich einen uralten Scherapparat hervor, dann rasiere ich mir eine Schneise von vorn nach hinten mitten durch die Haare.
"Mom!" keucht Kate.
"Was denn?" Eine braune Haarwelle landet auf Annas Schulter. Sie nimmt sie vorsichtig in die Hand. "Es sind nur Haare."
Als ich mir erneut mit dem Apparat über den Kopf fahre, muß Kate lächeln. Sie zeigt auf eine Stelle, die ich vergssen habe, ein kleiner Schopf, der wie ein verlorener Wald da steht. Ich setze mich auf den umgedrehten Milchkasten und lasse mir die andere Kopfseite von Kate rasieren. Anna setzt sich auf meinen Schoß. "Dann ich", bettelt sie.
Eine Stunde später spazieren wir drei Hand in Hand durchs Einkaufszentrum, ein Trio kahlköpfiger Mädchen. Stundenlang bummeln wir durch die Geschäfte. Ãœberall drehen sich Köpfe nach uns um und flüstern Stimmen.
Wir sind wunderschön, wir drei."




Es ist schon merkwürdig, wie viel Wert die Gesellschaft auf Haare legt, findet ihr nicht?

Bei Bedarf bitte verschieben

Autor:  loversrequiem [ 05.01.2010, 17:02 ]
Betreff des Beitrags: 

Das ist sooo ein tolles Buch. Ich hab geheult wie ein Schlosshund und die Szene find ich echt beeindruckend. Der Fillm war zwar leicht anders, aber trotzdem genauso emotional.

Zu den Haaren an sich:
Wenn man sein Leben lang was auf dem Kopf hatte, dann kommt man sich vermutlich nackt und irgendwie der Umwelt ausgesetzt vor. Wenn es dann noch nicht mal freiwillig ist, dann verliert man sicher unglaublich an Selbstbewusstsein, vor allem wenn man noch so jung ist wie Kate im Buch. Da denkt man dann eben, dass alle einen angucken. Es ist ja auch ein eher seltener Anblick, ein junges Mädchen ohne Haare, klar. Wir sind daran gewöhnt, dass die meisten Haare auf dem Kopf haben, deswegen find ich das nicht ungewöhnlich. Ist ja mit vielen Sachen so, die der Mensch nicht oft sieht.

Autor:  Sanchana [ 05.01.2010, 17:37 ]
Betreff des Beitrags: 

Das Buch lese ich gerade, mag es aber nicht so besonders, kann mich in keine Person sonderlich hineinversetzen. Außer in Jesse. Das ist aber eigentlich nicht so gut. :lol:

Finde das aber eine tolle Handlung von der Mutter im Buch.
Wenn ich aber drei Menschen in der Stadt (Frauen oder Mädchen) ohne Haare sehen würde, würde ich vermutlich genauso glotzen.

Autor:  sünje [ 05.01.2010, 20:55 ]
Betreff des Beitrags: 

Ich schaue in der Stadt auch oft Leute an...geht ja oft auch nicht anders, aber es ist oft nicht negativ gemeint. Ich hoffe die Leute verstehn das :roll:
Vieles finde ich sehr schön, ich würd es oft selbst nicht tragen, aber zu den Leuten passt es in 99% der Fälle und das find ich schön

Autor:  VermissterTraum [ 05.01.2010, 21:18 ]
Betreff des Beitrags:  Re: Beim Leben meiner Schwester

Regenschein hat geschrieben:
Es ist schon merkwürdig, wie viel Wert die Gesellschaft auf Haare legt, findet ihr nicht?


es ist schon merkwürdig, wie scheiße es dir geht, wenn du die verlierst.
und lustigerweise mobben kinder sogar wegen krankheit.

Autor:  Regenschein [ 06.01.2010, 00:47 ]
Betreff des Beitrags: 

Naja, geht es einem nicht erst dadurch scheiße, dass so viel Wert darauf gelegt wird? (Eigentlich allgemein auf das Äußere)

Autor:  VermissterTraum [ 06.01.2010, 01:00 ]
Betreff des Beitrags: 

ja, deswegen ja.
ohne den wert aufs äußere gäbe es ja auch die ein oder andere psychische erkrankung nicht.

Autor:  Cold World [ 06.01.2010, 01:07 ]
Betreff des Beitrags: 

Das ist doch aber nicht nur bei Haaren so. Haut, Zähne, Figur, so ist das halt. Außerdem signalisieren schöne und lange Haare auch Gesundheit, und das ist natürlich anziehend. Wenn jemand reine Haut, lange, schöne Haare und helle Zähne hat ist er vermutlich jung und gesund, das finden wir selbstverständlich toll weil's auf gute Gene schließen lässt. Wer im Tierreich bunt und prächtig ist wird von anderen gewollt, ist bei uns halt auch so, dazu gehören nunmal auch die Haare, durch unsere Kultur vorallem bei Frauen (spricht ja auch für Östrogene, Männer mit Haarverlust sind dann halt männlich, deshalb ist es da weniger dramatisch keine Haare zu haben...)

Autor:  Strohköpfchen [ 19.06.2010, 11:38 ]
Betreff des Beitrags: 

Bei Frauen fällt das Haar meiner Meinung nach einfach als erstes auf.
Eine eher unscheinbare Frau kann durch gesunde, gepflegte Haare richtig schön werden, während eine noch so hübsche mit ungepflegten Haaren oder schlechter Frisur gleich nur noch halb so hübsch ist.

Ich weiß, daß das oberflächlich klingt, aber das Aussehen ist nun einmal das Erste, was man am Gegenüber wahrnimmt. Die sogenannten "inneren Werte" lernt man ja erst hinterher kennen.

Autor:  Phoene [ 19.06.2010, 11:59 ]
Betreff des Beitrags: 

Regenschein hat geschrieben:
Naja, geht es einem nicht erst dadurch scheiße, dass so viel Wert darauf gelegt wird? (Eigentlich allgemein auf das Äußere)


Jein - wenn's erstmal alles weg ist geht's bei den Meisten. Das Problem ist das Büschelweise langsame Ausfallen und das zusehen wie es immer weniger wird und das reingreifen und etwas in der Hand haben. Und das ist nicht Frauenspezifisch....icht umsonst schneiden sich viele vorher oder wenn das los geht die Haare kurz.

Autor:  Mirili [ 25.06.2010, 09:22 ]
Betreff des Beitrags: 

Ich finde die Stelle auf jeden Fall rührend, ist das Buch zu empfehlen?

Ich persönlich würde sehr, sehr unter dem Verlust miner Haare leiden und solche Aktionen wie bei der Anna, also quasi "ich auch", würd ich wahrscheinlich gar nicht machen. Aber wenn sich jemand die Haare abrasieren will, ok - solange meinen Haaren dabei nichts passiert. war glatze nicht sogar mal Mode?
mir tut diese Kate leid :(

Autor:  Ain [ 25.06.2010, 09:42 ]
Betreff des Beitrags: 

Zitat:
Es ist schon merkwürdig, wie viel Wert die Gesellschaft auf Haare legt, findet ihr nicht?

Ich finde es viel merkwürdiger wieviel Wert "wir hier" zum Teil auf Haare legen.
Frauen die Glatze haben, tragen diese wohl selten aus modischen Gründen. Haare sind etwas urweibliches.


Zitat:
Ich schaue in der Stadt auch oft Leute an...geht ja oft auch nicht anders, aber es ist oft nicht negativ gemeint. Ich hoffe die Leute verstehn das Rolling Eyes

Das kommt darauf an wie der Angeschaute erzogen wurde....und natürlich auf die Art und Weise wie du guckst ;)


Zitat:
und lustigerweise mobben kinder sogar wegen krankheit.

Jo, Kinder sind ja auch scheisse, auch wenn ich unser verzerrtes Moral & Wertesystem jetzt auch nicht für besonders gut erachte. Moral & Werte, das was Kinder erst lernen müssen...


"Am Himmel leuchten die Sterne" ist ein Kinderbuch (ab 12 oder so) das sich mit dem Thema Krebs auseinander setzt. Falls sich jmd. dafür interessiert.

Autor:  Twin [ 25.06.2010, 11:48 ]
Betreff des Beitrags: 

Um es mal ein wenig oberflächlich zu sagen: Gerade weibliche Personen, die an einer Krankheit leiden, die zu Haarverlust führen, sehen darin meist einen Verlust der Weiblichkeit. Ähnlich, wie wenn Brüste amputiert oder die Gebärmutter entfernt werden muss.

Ich habe mittlerweile viele krebskranke Frauen miterlebt. An meiner Mutter konnte ich den erschreckenden Verlauf sehr gut miterleben. Ihre erste Angst war gar nicht wegen der Schmerzen, die auf sie zukommen könnten, sondern dass sie ihre Haare aufgrund der Chemo verliert. Als es dann soweit war, konnte sie sich nicht gleich trennen. Irgendwann ist sie aber doch zum Friseur und hat abschneiden lassen. Keine Glatze, die kam dann früh genug mit der Chemo. Sie hat sich eine Perücke angeschafft. Damit fühlte sie sich zwar nicht wirklich wohl, war ihr aber lieber darunter zu schwitzen, als ohne Behaarung aus dem Haus zu gehen. Irgendwann sprossen wieder feine Härchen und ich nannte sie liebevoll "mein kleiner Babyelefant". Fand sie gut. Ich denke, es kommt immer darauf an, wie die engsten Familienmitglieder und Freunde damit umgehen. Dann wird es für die Leidtragenden eventuell etwas einfacher.

Deshalb finde ich die Aktion in dem Buch sehr sehr mutig und gut. Aber eine Mutter würde wahrscheinlich alles für ihre Kinder tun, damit es ihnen etwas besser geht.

Aktuell wurde jetzt bei meiner besten Freundin Gebärmutterhalskrebs im Anfangsstadium diagnostiziert. Ich hoffe, dass es mit der OP überstanden ist. Noch gelten ihre Ängste ihrem Sohn (sie ist alleinerziehend), sollte es zur Chemo kommen, weiss ich nicht wie sie reagiert. Ich werd auf alle Fälle für sie da sein.

Wenn ich draussen unterwegs bin, sehe ich zu, dass ich "anders aussehende" Menschen nicht anstarre. Ich weiss ja nicht, was dahinter steckt. Allerdings konnte ich mich bei einem Mann mal gar nicht abwenden. Er hatte sehr schwerwiegende Brandnarben am ganzen Körper, ging aber sehr selbstsicher damit um. Als ich meinen eigenen Blick bemerkte, sprach ich ihn einfach darauf an. Er meinte nur, er hätte sich schon gefragt ob ich nur eine bin die angafft oder auch mal nachfrage. Amüsiert hatte er sich schon innerlich. Klar, hätte er mir jetzt auch sagen können, das geht mich nichts an, hätte ich auch akzeptiert. Fazit für mich war eben. Entweder ich frag nach oder schaue kurz, akzeptiere es und geh weiter meiner Wege.

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