Rokoko hat geschrieben: Andererseits könnte ich mir auch vorstellen, dass Nr. 2 nach dem auswaschen der Farbe notwendig ist, um die noch nicht wieder geschlossenen Disulfidbrücken zu reparieren. Hab gelesen, dass die bei der Aufhellung aufgespalten werden müssen.
Die für die beworbene Wirkung verantwortliche Crosslinker-Verbindung in Olaplex (Bis-Aminopropyldiglycol Maleat), ist in allen drei Steps enthalten. Die Steps bauen daher nicht aufeinander auf. Die beiden Steps 2 und 3 enthalten zusätzlich zum Crosslinker noch weitere Stoffe zur Konditionierung, sodass die Haare auch optisch gut aussehen und eine glatte, hydrophobe (wasserabweisende) Oberfläche erhalten.
Hierbei handelt es sich hauptsächlich um diverse, gängige kationische Tenside (Behentrimonium Methosulfate, Stearamidopropyl Dimethylamine, Quaternium-91, Cetrimonium Methosulfate, Cetrimonium Chloride), sowie ein kationisches Polymer (PQ 37), welches in den Produkten auch die Funktion eines Verdickers haben wird.
Während einer Blondierung will man eigentlich nur die haareigenen Pigmente oxidativ abbauen. Und bei einer oxidativen Färbung werden erst durch Oxidation die eingebrachten Pigmente farbgebend. Ein unerwünschter Nebeneffekt sind dabei auch oxidative Schäden, wie beispielsweise auch die oxidative Spaltung von Disulfidbrücken (weiteres siehe unten).
Da hier gerade so viel los ist, würde ich gerne schnell noch ein paar Anmerkungen zu Olaplex vorgreifen, die ich eigentlich in etwas größerem Umfang zusammenschreiben wollte.
Marleane hat schon mal einen wichtigen Punkt angesprochen. Die oxidative Schädigung ist nicht nur auf die Disulfidbrücken beschränkt.
Die eigentlich beworbene Wirkung von Olaplex kann sich nur auf die Zug- und Dehnungseigenschaften des Haars auswirken - für die überwiegend Disulfidbrücken verantwortlich sind - sowie vermutlich auch in gewissem Maße auf die zunehmende Hydrophilie (Wasserliebe) geschädigten Haares, welche ihrerseits die Zug- und Dehnungseigenschaften des Haares im nassen Zustand beeinflusst.
Weitere Schädigungen erfolgen durch Oxidation anderer Teile von Proteinen (Seitengruppen anderer Aminosäuren), Oxidation von Lipiden.
Eine weitere Schädigung erfolgt bei diversen Haarbehandlungen und zunehmendem Alter des Haares (durch UV-Strahlung etc.), die allerdings auch durch normale Kuren maskiert werden kann:
Beispielsweise verliert das Haar bei diversen Haarbehandlungen (Blondierung etc) oder durch natürliche Witterung die natürliche, hydrophobe (wasserabweisende) Oberfläche, den sogenannten F-Layer (18 MEA).
Entsprechender Ersatz 18 MEA-Schicht wird durch gängige kationische Tenside (so.) in Step 2 und 3 hinzugefügt. Der Eratz der ehemals fest gebundenen, natürlichen Fettsäureschicht ist die eigentliche Funktion von kationischen Tensiden.
Es gibt zwei entscheidende Widersprüche hinsichtlich der versprochenen Wirkung von Olaplex.
Die in Olaplex verwendete Crosslinker-Verbindung (Bis-Aminopropyldiglycol Maleat) soll eigentlich mit den reaktiven Schwefelgruppen der Aminosäure Cystein reagieren, was auch unter bestimmten Bedingungen geschieht.
Man nennt diese Gruppe des Cysteins auch Thiol-, Sulfhydryl- oder Mercaptangruppe: -SH. Diese ist von sich aus sehr reaktiv.
Diese Art Crosslinker nennt man daher
Sulfhydryl-Crosslinker. Dieses werden schon lange in der Proteinchemie verwendet (Bioconjugation). Zur Behandlung von Haaren und Wolle wurden diese Verbindungen auch schon in den 1950ern verwendet. Das Wissen wie Maleinsäure mit Thiolgruppen reagiert, und entsprechende Publikationen hierzu, existieren spätestens schon seit den 1938er Jahren.
Werden bei Blondierung und Färbungen Disulfidbrücken durch Oxidation gespalten, entstehen verschiedene Zwischenprodukte, allerdings keine Thiolgruppen. Auch bereits vorhandene Thiolgruppen werden weiter oxidiert. In beiden Fällen ensteht jeweils Sulfonsäure (Cysteinsäure) als Oxidationsendprodukt.
Oxidation von Disulfiden und Thiolen
Die verwendeten Crosslinker reagieren weder mit den Oxidationsprodukten noch mit intakten Disulfidbrücken.
Sie können nur mit Thiolgruppen reagieren. Die Crosslinker können auch keine Disulfidbrücken selbst spalten.
Es müssen für eine Reaktion, wie sie von Olaplex beworben wird, also Thiolgruppen im Haarprotein vorhanden sein. Diese entstehen im größeren Umfang bei einer reduktiven Spaltung von Disulfidbrücken, zum Beispiel im 1. Schritt einer Dauerwelle oder bei einer chemischen Glättung.
Unbehandelte, junge Haare besitzen eine gewisse Anzahl von reaktiven Thiolgruppen; solche, die bei der Haarentstehung keine Disulfidbrückenbindung eingegangen sind.
Allerdings enthalten Haare nach einer Blondierung oder oxidativen Färbung (mit H2O2) sehr viel weniger Thiolgruppen, nämlich ~88% weniger als unbehandelte Haare, dafür logischerweise mehr von den entsprechenden Oxidationsprodukten.
Das Oxidationsprodukt Cysteinsäure ist übrigens hauptsächlich dafür verantwortlich dafür, dass geschädigte Haare mehr negative Ladungen besitzen und zunehmend hydrophil werden.
Jachowicz, J. "Hair damage and attempts to its repair." Journal of the Society of Cosmetic Chemists 38.4 (1987): 263-286.
http://journal.scconline.org/pdf/cc1987 ... p00286.pdf
Zitat:
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- "According to aminoacid analysis, extensive bleaching can reduce the content of half-cystine residues from 13.9% to 5%, which corresponds to approximately a 64% reduction in the disulphide bond linkages of the protein molecules (10,39). Bleaching also reduces the concentration of free sulfhydryl groups (for example, from 2.46 •mol/mg to 0.3 •mol/mg (39)). Qualitatively similar results were reported by Robbins et M. (40) and Wolfram (41). The oxidative scission of disulfide bonds results in decreasing the crosslink density of the protein and provides additional anionic sites in the form of cysteic acid residues. Both reduction in covalent crosslink density and an increase in hydrophilicity contribute to the increase in swelling (liquid retention) (10), alkali solubility (9), and sorption of metal ions (9) as well as polymers (34). For bleached hair, liquid retention was found to be about 42-43% in the pH range 3-5, with increases of up to 52% in the pH region of 5-7.5.(10)."
Das bedeutet, dass bei behandelten Haaren (oxidative Haarbehandlungen) weniger reaktive Thiolgruppen für Sulfhydryl-Crosslinker wie in Olaplex vorhanden sind, als bei zuvor völlig unbehandelten Haaren (virgin hair).
Werden unbehandelte Haare mit diesen Crosslinkern (Bis-Aminopropyldiglycol dimaleat in Olaplex) behandelt, reagieren diese mit den Thiolgruppen, die von Anfang an im Haar vorhanden gewesen sind. Haben sie alle reagiert, wären weitere Reaktionen nur möglich, wenn das Haar mit reduzierenden Chemikalien (in Dauerwelle oder in chem. Haarglättung) behandelt würde. Während einer oxidativen Haarbehandlung (Blondierung) jedoch gehen bereits sehr viele reaktionsfähige Thiolgruppen verloren.
Zudem reagieren die verwendeten Crosslinker mit den Thiolgruppen
nur unter einem pH-Wert von 8. Solange der PH-Wert nicht unter 8 liegt, reagieren diese
nicht mit etwaigen Thiolgruppen.
Optimal ist ein pH-Wert zwischen 6,5 - 7,5 damit die Crosslinker mit Thiolen reagieren.
Bei hohen pH-Werten (über pH 8 ) reagieren diese Crosslinker bevorzugt mit Aminen.
Ein weiterer wichtiger Punkt: Die Crosslinker, also Olaplex, sollten
nicht zusammen mit anderen Proteinen verwendet werden. Da die Crosslinker keinen Unterschied zwischen Haarprotein und anderen Proteinen machen, reagieren diese in diesem Fall bereits im Vorfeld mit anderen Proteinen und stehen nicht mehr für weitere Reaktionen zur Verfügung. Nachtrag: Allerdings werden häufig (oder standardmäßig) Proteine wie Weizenprotein- oder Keratinhydrolysate während einer Färbung und Blondierung verwendet.
Im Übrigen werden Disulfidbrücken nicht neu geschlossen, sondern eigentlich durch die eingesetzten Crosslinker-Verbindungen ersetzt:
Crosslinker-Reaktion