schnappstasse hat geschrieben:Ich lese Tashas Beitrag gerade mit Interesse. So denkt also ein Nach-der-Werbung-Käufer. Ich kann nicht ganz verstehen, wie ein Produkt seine Faszination verlieren kann, nur weil man es nüchtern als Flüssigkeit in einer ollen Flasche betrachtet. Ich bin halt mal so gar nicht werbebeinflussbar. Ich sehe auch in dem bunten Filmchen eine Flüssigkeit in der Flasche, dann guck ich mir an, was die auf dem Papier "kann", und entscheide daran, ob ich die Flüssigkeit haben mag oder nicht.
"Nach der Werbung-Käufer" hört sich ja schon sehr beeinflussbar an!
Ich sehe es eher so, dass zwar offiziell alles deklariert ist, aber der Durchschnittsverbraucher die meisten Angaben - mit Absicht - nicht versteht, und selbst wenn er es tut, selten eine echte Alternative hat.
Bekanntes Beispiel: Viele, auch Erwachsene, essen "Schoko-Nuss-Aufstrich" und trinken Limonade.
Die meisten "wissen" irgendwie - bewusst oder sie können es sich denken - dass es sich nicht in erster Linie um Schoko-Nuss-Aufstrich handelt (sondern mehr so Fett-Zucker-Aufstrich) und dass die tolle Orangenlimonade wenige echte Orangen enthält, ganz zu schweigen von der Cola.
Trotzdem konsumiert man diese Produkte mit Gedanken an etwas, das mit dem reinen Produkt nichts bis wenig zu tun hat: Man isst eben doch
Schoko-Nuss-Aufstrich, man schmeckt Schokolade und ggf. Nüsse, und man trinkt die Limonade mit bestimmten Gedanken (entweder an die tolle Werbewelt, das Bild auf der Flasche, oder eigene Assoziationen verschiedener Art). Man isst niemals den Aufstrich mit dem Gedanken an "eine halbe Packung Butter und ein Glas voll Zucker auf dem Brot" oder die Limonade mit dem Gedanken an den Chemieunterricht und die Fabrik.
Das gleiche gilt für den Erdbeerjoghurt. Den isst man, weil er einem schmeckt und sucht ihn sich aus, weil man "Erdbeer"-Joghurt essen will, wohl wissend, dass Naturjoghurt mit Erdbeeren anders schmeckt, aber trotzdem noch diesen Joghurt mit Erdbeeren assoziierend.
Von Tütensuppen etc. will ich mal gar nicht reden. Es gibt Menschen, die so etwas mangels Kochkünsten (oder Zeit etc.) essen, aus Gewohnheit oder Geldmangel. Die meisten essen dann aber bewusst die "Tomatensuppe" oder "Champignoncremesuppe", wohl wissend oder wenigstens ahnend, dass keine Tomate und der eine Pilz maximal in der Suppe sind. Aber wer will schon "Synthetiksuppe mit künstlichem Tomaten-/ Pilzgeschmack" essen?
Der Gedanke daran würde das Essen verderben!
Und damit leben wir eben vor allem in Bereichen, in denen wir uns nicht auskennen. Wer nicht kochen kann oder will, nimmt also größtenteils in Kauf, dass er nicht weiß und meist nicht wissen will, was er da isst (gilt auch fürs Restaurant - würde man da essen, wenn man vorher die Küche und die Inhaltsstoffe sehen würde? In einigen Restaurants, ja, in anderen, und das weiß man vorher - nein!).
Ich denke, ja, wir leben heute in einer Welt in der wir größtenteils "hinters Licht geführt werden", das oft nicht mehr beeinflussen oder wahrnehmen können und in vielen Fällen selbst wenn wir von dem "Betrug" wissen keine Alternative hätten oder uns die Alternative aufgrund unseres Lebenswandels nicht gefallen würde.
Ein Bekannter von mir bekommt zur Zeit Essen auf Rädern. Hin und wieder sehe ich die Mahlzeiten mal. Es ist ein älterer Herr, der noch nie allein gekocht hat und für den nun der Weg zum Restaurant zu weit ist. Das Essen, das ich sehe, sieht für meine Augen etwas fies aus, auf jeden Fall nicht wirklich frisch, auch wenn es mMn frische und günstige Alternativen gäbe (Möhren etc.). Eine Portion kostet 6 bis 8 € und reicht für ihn für den ganzen Tag. Aber für den Preis bekommt man wenig, vor allem wenig wirklich Frisches und im Bistro etc. würde man besseres bekommen. Für 6 bis 8 € könnte man für eine Person für 2 bis 3 Tage einkaufen und kochen (vegetarisch, saisonal). Er kann aber nun nicht anders, hat keine Alternative und glücklicherweise schmeckt es ihm. Will er wissen, was frisch ist, was nicht, wie die Saucen gemacht werden, wie lange das Essen rumsteht, bis es zu ihm kommt? Will er etwas über Lebensmittelsicherheit wissen (er lässt das Essen oft stehen und isst es kalt...)?
Neeeiiiin!!!
Er will sich auf sein Essen freuen können, er will die 6-8 € guten Gewissens ausgeben und das Gefühl haben, dass es sich lohnt und zur Zeit ist das für ihn der Fall. Möchte er wissen, dass er mehr, Frischeres und evtl. "Besseres" bekommen könnte, wenn für den gleichen Preis jemand für ihn kocht?
NEIN!
Denn diese Alternative bietet sich ihm einfach zur Zeit nicht (und er hat sich nun schon dran gewöhnt und würde sich ungern umgewöhnen müssen).
Diese Situation haben wir aber mMn ALLE in irgendeinem Bereich unseres Lebens!
Wir kommen alle in Situationen, in denen wir etwas nicht beeinflussen können, wissen oder ahnen, dass es nicht optimal ist und wir, hätten wir die Wahl, etwas anderes vorziehen würden, in denen wir aber nun mal nicht die Wahl haben (oder eine sehr eingeschränkte) und vor allem auch nicht das Wissen, die Situaiton komplett zu beurteilen oder die Möglichkeiten, Alternativen kennenzulernen oder in Anspruch zu nehmen.
Man holt sich einen Handwerker, der macht einen Kostenvoranschlag, repariert etwas, schickt die etwas höhere Rechnung. Nach einem halben Jahr ist es wieder kaputt oder es tritt ein Schaden an ähnlicher Stelle auf. Holen wir diverse Handwerker zur Beurteilung, vergleichen "Diagnosen" und Preise, nehmen dann den "besten"? Nein, denn oft eilt es und wir müssen das Problem dringend lösen, und nehmen die Möglichkeit in Kauf, dass die Sache luschig und überteuert gelöst wird (das gilt nicht für alle Handwerker!)
Warum?
Weil wir selbst keine Kompetenz in dem Bereich haben und nicht oder selten den Preis beurteilen können.
Im Familienkreis gehabt: Auto hatte ein bestimmtes Problem, war in der Vertragswerkstatt, Kosten über 1000 €, Problem trat nach einem halben Jahr wieder auf, erneute Kosten von über 800 €, ähnliches Problem trag nach einem halben Jahr wieder auf, Ratschlag der Werkstatt: Auto verschrotten lassen, das wäre zu alt.
Nach über 2000 € Kosten wurde dann ein kleinerer Betrieb zu Rate gezogen, der das Problem löste für unter 200 €, woraufhin ein Anwalt eingeschaltet wurde, der aber wohl rückwirkend nichts mehr tun konnte. Was tat man aber als guter Kunde der Vertragswerkstatt? Man vertraute ihr, das Auto war ja schon immer dort repariert worden, das waren Fachleute, im Gegensatz zu den Besitzern, das waren Laien, die Diagnosen und Preise einfach hinnehmen mussten.
In einem Fall zahlte man 200 € für einen neuen Schlüssel, weil der erste versehentlich mitgewaschen worden war. Später kam ein Bekannter, selbst in dem Bereich tätig, und erklärte, dass man einfach eine 20-€-Batterie in den ersten Schlüssel hätte einsetzen können....
So etwas passiert halt immer wieder, jedem in einem anderen Bereich, dem einen sehenden Auges, ohne dass er groß etwas ändern könnte mangels Wissen, Alternativen und aufgrund von Druck (Zeit, Notwendigkeit), dem anderen, ohne dass er es überhaupt merkt. Der Andere ist also glücklicher, der fühlt sich nicht über den Tisch gezogen.
Warum gibt es denn "Volumenshampoos", "Fruchtshampoos" (und andere schöne Düfte), "stylische" Verpackungen, Werbeversprechen und Werbelegenden?
Ja, es gibt Werbeopfer - ich kannte jemanden, der nur Actimel aß, weil das verdauungsfördernd oder so sein sollte, der aber nicht glaubte, dass dies auf alle Joghurt zutreffen könnte, denn die waren ja deutlich günstiger.
Es gibt aber auch Menschen ohne Alternative, weil man sich einfach nicht in jedem Bereich auskennen kann und die Chance, dass man heute irgendwie über den Tisch gezogen wird, sehr hoch ist.
Jeder entdeckt irgendwann
einen oder zwei Bereiche, in denen er sich auskennt und Alternativen weiß - etwas selbst macht, nur Rohstoffe kauft oder gleich komplette Alternativen - aber die meisten Menschen dürften noch in vielen Bereichen Opfer der Hersteller, falscher Versprechen, mangelnder Alternativen und mangelnden Wissens sein.
Typisches Beispiel: Haltbarkeitsdatum. Kannte unsere (Ur-)Großeltern nicht. Die haben Eier und Milch verwendet, bis sie deutlich schlecht wurden und Eier oft nicht mal im Kühlschrank gelagert. Viele werfen heute LM weg, die "abgelaufen" sind, ohne zu testen, ob sie noch gut sind oder dem (eigenen Urteil) überhaupt zu trauen.
Und was gibt es jetzt?
Haltbarkeitsdaten für Seifen!
Da sind Fette drin, Fette riechen widerlich, wenn sie ranzig werden, das müsste also jeder, der riechen kann, mitbekommen. Normalerweise wird man dann schon aus Selbstschutz so etwas nicht mehr zur Körperreinigung verwenden. Ein Haltbarkeitsdatum erzeugt aber bei einigen Angst, etwas "falsch zu machen", "sich zu schaden" und viele werfen dann das Produkt "vorsichtshalber" weg.
Ohne Haltbarkeitsdatum hätten sie das flaue Gefühl nicht, würden aber trotzdem keine ranzige Seife verwenden, wenn sie noch einen intakten Geruchssinn haben!
Ich weiß, dass es immer mehr "bewusste Konsumenten" gibt, meist nur in begrenzten "Spezialgebieten", aber ich weiß auch, dass selbst der bewusste Konsument betrogen wird (Bioprodukt: Was ist das und wie bewerte ich das? Bio z.B. != Tierleid frei etc.).
Trotzdem kaufen wohl noch sehr viele sehr vieles aus unlogischen Gründen, ohne genau zu wissen, warum, oder was sie da eigentlich
genau bekommen und viele würden es nicht mehr verwenden oder in Anspruch nehmen, wenn sie alles über das Produkt (oder die Dienstleistung) wüssten bzw. sich bewusst machen würden beim Konsum.
Die Kompetenz, etwas wirklich komplett zu bewerten, muss man sich wohl in monatelangem bis jahrelangem (je nach Zeitinvestition und Vorwissen) Selbststudium erarbeiten und selbst dann wird man in der Regel nicht alles verstehen sondern sich nur auf eine Nische konzentrieren können.
Ich wette, wenn man ein Projekt starten würde, bei dem einer ein halbes Jahr ausschließlich lose Ware mit Infos, die er verstehen kann, einkauft und der andere in den normalen Supermarkt/ Onlinehandel geht, würde der erste sehr viel sparen. Besonders, wenn er dabei auch keinerlei Werbung ausgesetzt würde (inklusive Werbung durch Artikel, Filme, Berichte von Freunden etc.).
Die meisten von uns könnten seit Jahren ausschließlich mit Seife waschen - Körper, Haare und beim Selbstspülen auch Geschirr, außerdem einiges bei der Haushaltsreinigung. Ganz ohne Apfelessig! Es ginge! Aber wir wollen es nicht, weil wir anders aufgewachsen sind, weil wir "weiches, glänzdes, volles" Haar erwarten und eben auch "den Wellnesseffekt beim Waschen" und weil wir mit der Idee aufgewachsen sind, dass es für jede Aufgabe eine einge Substanz gibt - Seife für die Hände, Duschgel, Shampoo, Spülmittel, Fliesenreiniger, Waschmittel usw.
Nachdem wir 22 Haushaltsreiniger im Haus hatten, kommen wir wieder auf Natron/ Soda + Essig zurück.
Vorher wurde uns, im Gegensatz zu unseren (Ur-) Großteltern, eingeredet, wir bräuchten für alles den Spezialreiniger
und wir haben ihn gekauft! Weil wir daran glaubten! Und heute geht es zurück zu (Ur-)Großmutters Allzweckreiniger für wenige Cents!
Nicht nur ist vieles überflüssig, sondern man kauft den Rest auch noch, ohne genau zu wissen, warum.
Ich wage mal zu behaupten, das geht jedem in wenigstens einem Bereich so - Dienstleistungen eingeschlossen.
Inzwischen sind wir so weit, dass wir das WOLLEN, wir wollen überzeugt werden, etwas zu kaufen, anders kann man sich mMn nicht erklären, warum man alle 2 Jahre ein neues Smartphone etc. braucht!
Wir sind so weit, dass man uns vom Kauf gar nicht mehr überzeugen muss, wir müssen nur hören, dass es einen "Nachfolger" oder allg. "etwas Neues" gibt und schon werfen viele das Alte weg oder lassen es stehen, um das Neue zu kaufen, auch wenn das Alte noch vorhanden und funktionsfähig ist. Das gilt im Großen - alte Fernseher, CD-Player, Kameras - und im Kleinen - man wirft etwa Zahnpasta- und Shampooflaschen weg, wenn der Rest nicht mehr ohne Probleme aus der Packung kommt oder auch, seltener, wenn eine Packung zu lange rumstand. Nicht jeder verdünnt den Rest, um das Produkt so weit möglich aufzubrauchen. Das neue kostet ja normalerweise auch nur wenig Geld. Man denkt selten darüber nach, dass man z.B. Backpulver in Minimengen kauft (und weiß oft nicht, dass es Alternativen gibt, wenn auch nicht im Supermarkt). Weil man ja alles im Supermarkt kauft, was man für den täglichen Bedarf so braucht.
Ja, es ist interessant und erschreckend,

wie wenig man oft über die Sachen, die man kauft, weiß, und wenig davon man überhaupt braucht (weil man das gleiche schon zu Hause hat oder gar nicht genau weiß, was man braucht). Wie oft man sich von Labeln täsuchen lässt ("Sprüh
sahne"). Wie selbstverständlich man sich der Vorgabe der Hersteller unterwirft ("Seife" für Hände, Körper, Dusche, Bad, Haare, und dann noch für feine, schuppige, "beanspruchte", "schnell fettende" Haare etc.).
Ich habe jahrelang immer mal wieder das "Weleda Wildrosenöl" gekauft und NIE in Frage gestellt, ob es sich dabei tatsächlich um Wildrosenöl handelt, bis ich mal echtes Wildrosenöl kaufte (das nicht nach Rosen roch). Weil ja "Wildrosenöl" draufstand. Und weil es nach Rosen roch.
Und
stört mich das jetzt?
Nein, denn den Zweck hat es ja erfüllt: Es war ein Öl, das nach Rosen roch, und das besagte auch der Name. Ob es "echtes Wildrosenöl" war, war für diesen Zweck zweitrangig.
Und ja, ich denke, das geht den meisten Menschen in vielen Bereichen ihres Lebens (Konsums) so.
Schlimm daran ist mMn (aueßer dem Betrug...) nur, dass man sich schämt, selbst Alternativen zu finden. Z.B. kann ich "Zitrusöl" für den Körper kaufen für 10 € oder ich kann mich mit Sonnenblumenöl einreiben, dem ich etwas geriebene Zitrone hinzugefügt habe. Letzteres darf ich aber nicht zugeben, weil ich dann schief angesehen würde.
Ich höre immer wieder von Konsumenten, die "aufgeklärt" werden "ich will es gar nicht wissen". Kürzlich bezogen auf den Ikeatisch, der aus Pappe besteht. Nein, man hat den seit ein paar Jahren, hat 10 € dafür ausgegeben, auch wenn er mal günstiger war, und nutzt ihn als "Tisch". Pappe nutzt man anders, die wirft man schneller weg. Das Wissen um die Pappe im Tisch würde ihn wertloser machen und einen selbst als Kosmumenten beschämen (10 € für Pappe ausgegeben im Glauben, es sei irgendeine Art von Holz/ Sperrholz etc.). Also möchte man das gar nicht wissen, man möchte weiter an einen guten Kauf glauben, der Tisch steht noch und sieht gut aus, warum sich mit "Wissen" belasten, das einen den getätigten Kauf bereuen lassen würde?
Hat man kein Geld für einen Kauf im "richtigen" Möbelhaus, möchte man über Ikea gar nichts Schlechtes hören, denn man kauft eben nicht nur Sachen, die man benötigt, sondern auch Stimmung, Hoffnung, Stolz auf Schnäppchen, Trends, "Dazugehören", ein schönes Kauferlebnis etc. - und all diese
Gefühle möchte man sich doch nicht kaputt machen. Bräuchte man nämlich nur einen Tisch, würde eine Platte auf Böcken oder ein selbstgezimmerter Tisch etc. reichen.
Am Ende WILL man doch "das Erlebnis"! Auch hier schreiben User, dass sie "gern Haarewaschen". Haarewaschen ist eine Notwendigkeit, kein Wellnesserlebnis, und doch nutzt man es zur Entspannung etc. Man freut sich auf das besondere Gefühl beim/ nach dem Waschen. In den meisten Fällen ist das nicht das Gefühl, dass der Dreck weg ist, sondern der Mehrwert, den man mit dem Shampoo gekauft hat. Also zum Großteil Einbildung?
LG von
Tasha,
sorry für den Wortschwall....