Hm, also ich kann mir schon vorstellen, dass viele „behinderte“ Menschen ihre Haare kurz tragen, weil es den Pflegern entweder viel Arbeit abnimmt oder weil die Verletzungsgefahr bei langen Haaren zu hoch wäre, wie schon mehrfach gesagt worden ist. Grundsätzlich kann es natürlich auch sein, dass es demjenigen Menschen gefällt oder dass bei bestimmten Medikamenten die Haare einfach nicht so wachsen wollen, weil sie dünn werden, ausfallen, etc.
Was mich betrifft, kann ich sagen, dass ich mich weder als „be-“ noch „gehindert“ sehe.
Ich bin chronisch krank und habe seit über 10 Jahren Rheuma
(eine der aggressivsten Formen: Polyarthritis). Glücklicherweise konnte ich die Schäden relativ gering halten und kann mit meinen Händen z.B. noch alles machen, was ich möchte *auf Holz klopf*
Natürlich kann es sein, dass ich dafür manchmal länger brauche als andere oder unbewusst „Ausgleichsbewegungen“ mit der Schulter mache, weil ich das Handgelenk nicht so drehen kann und das sieht manchmal schon etwas merkwürdig aus.
Wäre es allerdings anders gekommen und ich hätte schlimmere Schäden an den Händen und könnte sie fast nicht mehr bewegen, wäre es keine Sache für mich: dann würde ich die Haare wieder abschneiden und sie kurz lassen, auch wenn das wehtun würde und mir lange Haare definitiv besser stehen. Aber ich bin…na ja...nennen wir es „oft zu stolz und stur, um Hilfe anzunehmen“ und möchte darum lieber selbst erst einmal schauen, dass ich alleine mein Leben regeln kann, ohne permanent Hilfe zu benötigen und aus diesem Grund wären die kurzen/kürzeren Haare für mich darum einfach pflegeleichter.
Und noch ein wenig
OT: Ich habe zwar gesagt, dass ich oft zu stolz bin, um Hilfe anzunehmen, aber ganz so schlimm ist es doch nicht (zumindest aus meiner Sicht).
Ich möchte so gut es geht mein Leben selbst in die Hand nehmen können und nicht bei jeder Schwierigkeit gleich jemand anderen die Aufgaben machen lassen. Wenn ich jedes Mal, wenn ich beispielsweise ein Glas nicht aufbekomme, es an meinen Freund weiterreichen würde, hätte ich das Gefühl, etwas zu verlernen und aus Bequemlichkeit mich nicht mehr herauszufordern und mir zu beweisen, dass ich durch meine Krankheit nicht eingeschränkt werde. Vieles selbst zu tun, auch wenn es schwer fällt, ist für mich ein Zeichen, dass man sich selbst nicht aufgibt und sein Leben meistert. Klar, wenn man bestimmte Dinge nicht mehr machen kann, auch wenn man es gerne tun würde, dann geht es einfach nicht und dann sollte man auch über Hilfsangebote dankbar sein (zumindest dann, wenn auch gefragt wird und man nicht ungefragt einfach ein Stück „entmündigt“ wird).
Zum Thema Mitleid/Mitgefühl/“Glotzen“/dumme Bemerkungen: Ich habe das Glück, dass man nicht gleich sieht, dass ich krank bin und ungeübte Augen bemerken das noch viel seltener, wohingegen z.B. meine Physiotherapeutin sofort an meinen Händen und Füßen sieht, dass sie anders aussehen als bei Nicht-Rheumatikern. Trotzdem habe ich gerade in der Schulzeit sehr darunter gelitten, gerade
WEIL man es nicht sehen konnte. Weil ich keinen Ausdauersport, bestimmte Sportarten und damals eben auch keinen Schulsport machen durfte/darf, bekam ich oft zu hören „du simulierst doch nur, damit du nicht mitmachen musst“ oder „hör auf zu schauspielern, dir geht es doch gut“ oder "Rheuma ist doch eine Alte-Leute-Krankheit...du erfindest da einfach was, du bist noch zu jung, um das zu haben". So was tut weh und besonders als Kind/junge Jugendliche nimmt man sich das sehr zu Herzen, vor allem, wenn solche Sprüche von so genannten „Freunden“ kommen, die einen einfach nicht verstehen.
Ich kann mir vorstellen, dass beides gleich hart sein kann: wenn man die „Einschränkung“ sieht und wenn man sie nicht sieht. Bei dem einen regnet es mitunter blöde Kommentare von denen, die selbst mit sich nicht klarkommen und keine Ahnung von dem haben, über was sie reden sowie „mitleidige“ Blicke, bei dem anderen gibt es Sprüche, warum man dies und jenes nicht tun kann, dass man sich angeblich zu schade dafür sei oder einfach nur simuliere, weil man keine Lust habe, mitzumachen.
Beide Varianten haben meiner Meinung ihre Ursache darin, dass es trotz unserer angeblich so aufgeklärten Welt immer noch zu wenig Informationen über viele Krankheiten an Außenstehende gibt (Beispiel: die Mutter eines Schulfreundes meines Bruders wollte nicht, dass ihr Sohn sich mit meinem Bruder bei uns zu Hause trifft, weil sie dachte, Rheuma sei ansteckend

). Die Dinge, die man als Kind beigebracht bekommt oder die man in TV-Sendungen, Berichten, etc. über diverse Krankheiten und Behinderungen erzählt bekommt, lassen die meisten Menschen unsicher zurück. Sie wissen nicht, wie sie reagieren sollen, ob sie gucken oder nicht hinsehen sollen, wie man sich gegenüber den „kranken“ oder „behinderten“ Menschen verhalten soll und so weiter.
Ich wüsste beispielsweise auch nicht, wie ich mit „behinderten“ Menschen umgehen soll, die andere Krankheiten, etc. haben als diverse Leute in meinem Bekanntenkreis. Mitgefühl kann als Mitleid interpretiert werden, dass man nicht haben möchte...ein anderer empfindet es als herzlos, wenn man kein Mitgefühl zeigt, etc.
Immerhin bekommt man nicht gerade viele Informationen und man möchte die Menschen ja auch nicht unwissentlich kränken…
Na ja, lange Rede, kurzer Sinn: es ist ein sehr schwieriges Thema, bei dem man leider, leider keine Chance hat, alles richtig zu machen, aber man kann es zumindest versuchen.
OT Ende