Cypria hat geschrieben:Und wieder etwas richtig richtig spannendes (wieder auf Englisch, den groben Inhalt gebe ich jedoch wieder weil spannend

). Sie haben rausgefunden das Weizen-Gluten (also das Protein) dafür sorgt das Haare weniger brüchig sind. Allerdings muss das vorher behandelt werden, weil das Protein, damit es sich ins Haar einbaut, einen passenden PH-Wert braucht. Also ich würde es für fraglich halten ob einfach so Weizenproteinspülungen helfen, weil PH-Wert, ist aber interessant.
https://phys.org/news/2018-02-wheat-glu ... human.html
Der Artikel zum Paper hat leider inhaltliche Schwächen.
"for such proteins to bond, they must have the same pH value as the hair. "
Diese Aussage ergibt überhaupt keinen Sinn und davon ist auch keine Rede im Paper.
Es geht nämlich eigentlich um den isoelektrischen Punkt der Proteinhydrolysate (und damit um positive Ladungen) - und der sollte bei Proteinhydrolysaten möglichst hoch sein.
Das Paper selbst ist gut. Allerdings sind die Erkenntnisse aus dem Paper selbst auch nicht neu. Dass die Substantivität (Haftung/ Auswaschresistenz) von Proteinhydrolysaten auch von deren isoelektrischen Punkten (IEP) abhängt, ist ein alter Hut.
Das Paper präsentiert somit auch nur alten Wein in neuen Schläuchen.
Was bedeutet der isoelektrische Punkt (IEP)?
Proteine sind Polyampholyte. Das heißt, je nach Aminosäuresprektrum sind bei bestimmten pH-Werten unterschiedlich viele negativen Ladungen (durch saure Aminosäuren) und unterschiedlich viele positive Ladungen (durch basische Aminosäuren) vorhanden. Der isoelektrischen Punkt (IEP) ist der pH-Wert, bei dem die Anzahl an positiven und negativen Ladungen gleich ist.
Bei pH-Werten unter den jeweiligen IEPs der Proteine sind mehr positve Ladungen vorhanden. Bei pH-Werten über den jeweiligen IEPs sind mehr negative Ladungen vorhanden.
Ein hoher IEP bei Proteinen wird im Wesentlichen also durch eine hohe Anzahl basischer Aminosäuren (Histidin, Lysin und Arginin) herbeigeführt, und durch eine geringe Anzahl saurer Aminosäuren (Glutaminsäure, Asparaginsäure), die den IEP des Proteins wieder nach unten verschieben würden.
Der isoelektrische Punkt der Haaroberfläche liegt übrigens ungefähr bei 3,6. Der Wert ist aber sehr unterschiedlich je nach Haar (und Haarzustand), aber die Haaroberfläche ist aufgrund ihres niedrigen IEP stets überwiegend negativ geladen.
Proteinhydrolysate sollten einen möchlichst hohen IEP aufweisen, also überwiegend positive Ladungen, sodass sie eine höhere Affinität zur negativ geladenen Haaroberfläche haben.
Ein hoher isoelektrischer Punkt hat zur Folge, dass ein Proteinhydrolysat über einen breiten pH-Bereicht (bei moderaten pH-Werten) mehr positive Ladungen hat. Mehr positive Ladungen im Proteinhydrolysat bedeutet, dass die Haftung auf der negativ geladenen Haaroberfläche besser ist, so wie auch bei anderen haarkosmetischen Kram.
Die meisten Proteine im kosmetischen Bereich haben ihren IEP aber im sauren Bereich. Das heißt, dass diese nur bei einem niedrigen pH-Wert mehr positive Ladungen tragen als negative.
Um mehr positive Ladungen einzubringen, die über einen weiten pH-Bereich protoniert bleiben (damit einen höheren IEP bewirken), verwendet man wie so oft Quaternium-Gruppen, da Quaternium-Gruppen fast bei allen pH-Werten protoniert vorliegen. Der IEP des Proteinhydrolysate wird durch Quaternium-Gruppen erhöht.
Eigentlich hat man in dieser Veröffentlichung also lediglich ein einfaches quaternisiertes Proteinhydrolysat vorgestellt, also ein Protein mit Quaternium-Gruppen.
Das mit EDDAC quaternisierte Proteinhydrolysat ist nach INCI quasi
Laurdimonium hydroxypropyl hydrolyzed wheat protein auf dem Markt.
http://www.saapedia.org/en/saa/?type=detail&id=7896
Dieses wie auch andere Protein-Quats werden relativ häufig verwendet - allerdings nur in KK. Hier
http://www.quab.com/files/Personal_Care_Article.pdfist in Tabelle 2 eine kleine Auswahl solcher Protein-Quats.
Durch die Quaternium-Gruppen bleibt halt beim Ausspülen eines Produkts prozentual mehr Proteinmaterial haften (bessere Substantivität) als bei einem nicht quaternisierten Proteinhydrolysat. "Normale" Proteine bleiben zwar auch beim Ausspülen haften, aber halt weniger. Randy Schueller und Peter Romanowski, thebeautybrains und Herausgeber von "Conditioning Agents for Hair and Skin", würden dazu sagen:
"They're going to go down the drain."
Übrigens ist der isoelektrische Punkt von Proteinhydrolysaten auch der Grund, warum es auch von Interesse ist zu wissen, welche Hydrolyseprozesse verwendet wurden. Die enzymatische Hydrolyse ist sehr sanft zu den Proteinen. Bei den chemischen Hydrolysen (basische, saure) erhält man allerdings Proteinhydrolysate mit einem niedrigeren IEP, da die Aminosäureseitengruppen durch saure und basische Hydrolysevorgänge zerstört werden. Bei der sauren Hydrolyse wird die basische Aminosäure Arginine deaminiert. Bei der sauren Hydrolyse werden Asparagin and Glutamine zu Asparaginsäure und Glutaminsäure umgewandelt.
Hier steht z.B. auch noch mal was zu diesem Thema:
https://books.google.de/books?id=56R-6W ... nt&f=false
https://books.google.de/books?id=56R-6W ... ty&f=false
Goddard, E. Desmond, and James V. Gruber, eds. Principles of polymer science and technology in cosmetics and personal care. CRC Press, 1999.
Ähnliches wurde auch hier bei einzelnen Aminosäuren untersucht und zwar die unterschiedliche Adsorption von neutralen (Glycin), basischen (Arginin) und sauren Aminosäuren (Glutaminsäure) bei unterschiedlichen pH-Werten:
https://pdfs.semanticscholar.org/697f/b ... 80dd69.pdf
Oshimura E, Abe H, Oota R (2007) Hair and amino acids: the interactions and the effects. J Cosmet Sci 58 (4):347 - 357
Hier auch noch mal eine Veröffentlichung von Secchi:
https://pdfs.semanticscholar.org/f763/1 ... 7fcce7.pdf
Secchi, Gianfranco. "Role of protein in cosmetics." Clinics in dermatology 26.4 (2008): 321-325.
Es gibt auch Veröffentlichungen, die die Substantivität von normalen mit quaternisierten Proteinhydrolyaten vergleichen:
Jones RT. Substantivity and properties of wheat protein as applied to hair. XVIth IFSCC
Congress, New York, 1990, A30. Jones RT. Cationic protein derivatives. Croda Inc. Technical Bulletin. New York: Croda Inc., 1985.
Kann keine Link-Quellen mehr finden, aber in dieser Präsentation wurden die Erkenntnisse zu Proteinen zusammengefasst:
http://formulation.org.uk/images/Hair_1 ... nology.pdf
Folie Quanternised Derivatives (eig. Quaternised) bezieht sich auf quaternisierte Proteine und die verbesserte Substantivität.
Folie Tensile Testing F(1) resümiert übrigens auch noch den Unterschied in der Wirkung zwischen Seiden- und Weizenproteinen, der ursprünglich von Gomez-Garcia untersucht wurde, und zwar hier:
http://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/do ... 1&type=pdf Gomez-Garcia, M. "Effects of some oils, emulsions, and other aqueous systems on the mechanical properties of hair at small deformations." JOURNAL-SOCIETY OF COSMETIC CHEMISTS 44 (1993): 69-69.)