Kaiserdrache hat geschrieben:Moin, moin,
da es anscheinend mein letzter Kommentar war, der diese Diskussion ausgelöst hat, möchte ich mir erlauben noch einige Worte dazu zu verlieren.
Ich hatte bereits in meinem Ausgangspost deutlich das Wort "Kunde" unterstrichen, aus dessen Sicht ich geschrieben habe. Für mich als Kunde zählt immer nur die Relation zwischen Preis und Berufsstand und das auch immer nur umgerechnet auf den Stundenlohn. Soll bedeuten, dass zum Beispiel eine Bäckereifachverkäuferin nicht dasselbe Recht hat denselben Stundenlohn von mir als Kunden zu verlangen wie dies, wiederum als Beispiel, ein studierter Rechtsanwalt machen könnte.
Ärgerlicherweise, und in diesem Punkt lasse ich mich auch nicht von meiner Meinung abbringen, sind nach Einführung des Euro die Preisscheren in Deutschland total aus dem Gefüge geraten, was leider Gottes unter Anderem der Grund dafür ist, dass wir bald an einen Punkt kommen, an dem alltägliche Dienstleistungen unbezahlbar werden. Um das mal an einem Haar-relevanten Beispiel zu verdeutlichen:
Sowohl meine eigene Mutter als auch meine Schwiegermutter benutzen beiden denselben hochpreisigen Haarsalon und das seit Jahren, teilweise Jahrzehnten. Beide färben nicht, bekommen keine Dauerwellen, sondern bekommen lediglich einen normalen Kurzhaarschnitt, der in der Regel 15 bis 20 Minuten dauert. Preis dafür: 28 Euro. Jetzt rechnen wir das einmal hoch. 28 Euro für 20 Minuten macht 84 Euro (!!!) Stundenlohn, den ich als Kunde fiktiv hochgerechnet begleichen muss. Die gleiche Arbeitszeit, wiederum eine Stunde, kostet mich bei meinem Zahnarzt (ohne Materialeinsatz, ohne Vergütung der Arzthelferinnen) fast dasselbe. Und jetzt frage ich einmal allen Ernstes - kann es sein, dass ein typischer Billiglohnberuf mich denselben Stundensatz kostet wie ein Berufsbild, das mehrere Jahre intensiven Studiums vorraussetzt? Stimmt hier die Relation noch?
Um das klar zu sagen, hier trifft es natürlich die Friseure/innen, weil wir uns in einem Forum befinden welches sich mit dem Thema Haaren beschäftigt, aber die Beispiele sind unzählig und ließen sich beliebig erweitern. Ein guter Klempner will mittlerweile auch Stundensätze jenseits der 80 Euro haben, ebenso Elektriker, Schreiner und praktisch jedes andere Handwerk. Hier liegt ein generelles Problem zugrunde, welches mit dem Beruf des Friseurs erst einmal wenig zu tun hat. Denn selbstverständlich bekommt weder die Friseurin, noch der Elektrikergeselle, noch sonst irgendein angestellter Handwerker den Stundenlohn der mir als Kunden berechnet wird. Aber mal Butter bei die Fische - meiner Geldbörse ist es extremst schnuppe, was der individuelle Arbeiter bekommt, den ich muss das bezahlen, was berechnet wird.
Und gerade in den letzten Jahren seit wir die DM verloren haben, klafft diese Preisschere immer weiter auseinander, vielleicht auch weil die Relation zwischen Geldwert und Arbeitsleistung kaum noch überschaubar ist. Wenn Odine sagt, dass sie 4,91€ die Stunde verdient hat, dann sind das pi mal Nase rund 9,50 in DM oder auf hochdeutsch gesagt, genau das, was man in einem Billiglohnberuf immer verdient hat. Rechnen wir das nochmal hoch: 9,50 / Stunde macht bei 8 Stunden täglich und 4,5 Tagen die Woche (Montag als Ruhetag herausgerechnet, Sonntag logischerweise gestrichen) rund 1.400 DM pro Monat brutto. Und damit sind wir genau da, wo wir immer waren. Die Krux dabei ist simpel, dass die Lebenshaltungskosten und die Preise anderer Berufsstände (siehe oben) so massiv gestiegen sind, dass man von einem solchen Gehalt kaum leben kann. Um das ganze Beispiel weiter zu führen: Wenn man also als Friseurin einen Klempner beauftragt etwas zu richten und dieser einem eine Rechnung von 120 Euro für 1,5h Arbeit präsentiert, dann muss man dafür selber rund 30 Stunden netto arbeiten gehen. Und genau da hakt es im System. Noch ein Beispiel? Tasse Kaffee + Stück Kuchen entsprechen hier in etwa dem Stundenlohn einer Friseurin.
Die Gretchenfrage ist für mich also nicht, ob die Bezahlung von Friseurinnen gerechtfertigt ist, denn das zu beantworten ist aktuell ziemlich unmöglich, sondern eher ob das generell Preisniveau in Deutschland nach der Euroeinführung noch irgendetwas mit der Realität zu tun hat. Vor rund 20 Jahren waren die Verdienste der einzelnen Berufsbilder immer noch in überschaubarer Relation und genau das ist nicht mehr der Fall.
Mein persönliches Fazit? Ich als Kunde bin nicht bereit jeden fiktiven Phantasiepreis für klassische Niedriglohnleistungen zu bezahlen. Jüngstes Beispiel? Vier Angebote von Malerbetrieben, die mir mein Wohnzimmer streichen sollten, ein lausiger 22m² Raum. Nachdem das preiswerteste Angebot in der Nähe von 750€ lag, habe ich beschlossen es selber zu machen. Abzocke gerne, aber nicht bei mir.
Und jetzt steinigt mich.
Nadeshda hat geschrieben:Deine Beispiele hinken ganz gewaltig.
Du bezahlst beim Bäcker nicht nur die Dienstleistung der Bäckereifachverkäuferin, sondern auch des Bäckers, der Putzfrau die den Laden säubert, die Miete (teurer als beim Zahnarzt weil auf Laufkundschaft angewiesen und im EG), die Bauern, Zwischenhändler... ich könnte noch ewig weiter aufzählen. Aus dem Preis für deine Brötchen den Stundenlohn einer Bäckereiangestellten herauslesen zu wollen, halte ich für eine Milchmädchenrechnung.
Und so ist es natürlich auch beim Frisör. Du zahlst doch dort nicht den Stundenlohn der Dame, die dich gerade frisiert...
Honigmelone hat geschrieben:Ein Stundenumsatz von 84 Euro für eine Friseurin ist eine Milchmädchenrechnung. Sie muss auch Kunden begrüßen und verabschieden, putzen, ihr Handwerkszeug saubermachen, sich um die Wäsche kümmern, Kasse machen usw. Auf dem Dorf kann es auch mal sein, dass über eine Stunde keine Kunden kommen und sie keinen Umsatz erwirtschaftet, dann muss sie trotzdem bezahlt werden.
Wer selbstständig ist, sollte eigentlich wissen, welche hohen Kosten man hat, trotz eines (scheinbar) hohen Stundenlohns.
Hallo, zusammen, bevor ich jetzt meine negativen Friseur-Ergebnisse schildere, hätte ich eine Frage zu dieser spannenden Diskussion: Wieso vergleicht er Äpfel mit Birnen? Die Struktur einer Anwaltskanzlei oder einer Arztpraxis mag ja nicht eins zu eins mit der eines Friseurladens vergleichbar sein, aber Leerlaufzeiten gibt es doch hie wie dort, und geputzt werden muß unterm Schreibtisch genauso wie unterm Haarwaschbecken, oder etwa nicht???
Ich stimme Dir da voll und ganz zu, Kaiserdrache, daß der Preis einer Dienstleistung auch in direkter Relation zu der dafür notwendigen Ausbildung stehen muß.
Bsp., ich war als junge Frau Stewardess, wir haben die gleichen besch... Arbeitsbedingungen (Schichtdienst, Jetlag, familienunfreundliche Arbeitszeiten) wie die Piloten vorne und dürfen uns zusätzlich noch mit den nervigen Passagieren rumschlagen. Die Jungs da vorne verdienen aber gut und gerne das vier- bis fünffache. Und nun rechnet mal kurz hoch, was es die Fluggesellschaft kostet, sie in zwei Jahren soweit zu bringen, dieses Riesenungetüm aus Stahl und sonstnochwas nach oben zu bringen, oben zu halten und wieder gescheit runterzubringen, während Stewardessen i. d. R. in einem zweimonatigen Lehrgang ausgebildet werden. Ok, letzteres funktioniert natürlich nur (oder funktionierte zumindest damals, vor 20 Jahren), weil keine eingestellt wurde, die nicht mindestens paarundzwanzig war und schon eine Ausbildung und/oder Joberfahrung - gerne auch neben dem STudium, das hob den Bildungsstand(ard) - mitbrachte.
So, OT Ende. Nun zum Thema:
Ich hatte zu Ende Teenie-, Anfang Twen-Zeit Dauerwellen und Stufenschnitt. Schreit nicht, in den 80igern trug man das halt so, das war modern und sah bei nicht wenigen auch noch gut aus

Dafür ging man dann auch alle sechs bis acht Wochen zum Spitzenschneiden, weil Dauerwellen - v. a. wenn man sie ca. alle vier bis sechs Monate neu machen läßt - die Haare ja nun doch bissl strapazieren

und die Spitzen leiden könnten... EIGENTLICH war ich ja auch immer recht zufrieden, durch das regelmäßige Nachschneiden saßen die Dauerwellen auch immer recht gut (schrecklich bei anderen, die sich die Dinger reinmachen ließen und dann ein halbes Jahr oder noch länger, quasi bis zur nächsten Dauerwelle, nicht mehr zum Schneiden gingen; bei denen hing das Zeug spätestens nach drei Monaten sowas von traurig herunter, grauenvoll!!

), die Haarschäden hielten sich in Grenzen, AAAABER: Im fünften Semester oder so stellte ich dann mal fest, daß eine Kommilitonin, die ich von Anfang des Studiums kannte, während dieser Zeit ca. 20 cm Zuwachs hatte, obwohl sie ihre Naturwelle auch regelmäßig stutzen ließ, während mein Haar noch exakt genau so war wie zu Abizeiten!!

Ergab sich also nur rückwirkend der Schluß, daß meine Friseuse es beim Auftrag "Spitzenschneiden" auch immer etwas zuuu gut gemeint haben mußte...
Nach einigen guten Friseurjahren ereilte mich das nächste Unglück dann ca. zehn Jahre später, nach meinem größten Haircrime (siehe hier:
http://www.langhaarnetzwerk.de/phpBB2/v ... &start=180), ich ließ dieses unsägliche dauergewellte Stufenmonster also in drei Schritten innerhalb von zwei Wochen von meiner Stammfriseurin auf halbe Halslänge stutzen, alle gleich lang mit Schrägpony und Seitenscheitel, sah echt gut aus, und als die Dauerwelle ca. ein Jahr später schon gut rausgewachsen war, war die gute Dame leider in Urlaub und ich ließ mich von der Chefin schneiden. Die Ansage war eigentlich klar: Alles gleichlang auf Kinnlänge ( dann wären die Dauerwellen so gut wie draußen gewesen), eine kleine Stufe drin wie Ally McBeal, die hatte auch so einen Pagenschnitt oder Bob, wo das Deckhaar ein bis zwei cm kürzer war als das Unterhaar, und das sorgte für einen echt pfiffigen Fall, die Unterhaare drehten sich dann unter dem etwas kürzeren Deckhaar so bissl nach außen, sah echt gut aus. Betonung immer wieder auf "klare Linie, glatte Kante, keine angeschrägten/fedrigen Übergänge". Und was krieg ich???

Einen angeschnittenen Nacken bis auf halben Kopf hoch schräg hochgestuft, und vorne eine Matte ins Gesicht hängen, die eine schlechte Mischung aus Möchtegernpopper und Boy George darstellte

Und auf meine Kritik, daß das ja nun ganz und gar nicht das war, was ich wollte, sondern das genaue Gegenteil, meinte sie sehr betrübt, das täte ihr sehr leid, "ich hab doch gedacht, ich hätts richtig gemacht!"

Diesen Unfall erstmal herauszuzüchten hat mich ein weiteres Jahr gekostet. Und nachdem meine Stammfriseurin dann aufgehört hat, um ihren Meister zu machen, ging ich wieder zurück zum Langhaarfriseur. Dem war ich eh nur untreu geworden, weil wir umgezogen waren und direkt im Nachbarhaus dieser nette kleine Friseurladen war. Der Mensch ist halt nicht nur ein GEwohnheitstier, sondern auch noch bequem...
Seitdem habe ich eigentlich nur noch gute Erfahrungen gemacht. Der Langhaarfriseur in Frankfurt macht einen Spitzenjob, und weil ich hier in München 2004, als ich herkam, erstmal nix vergleichbares gefunden habe, bin ich der Einfachheit halber (bequem, siehe oben

), zu dem "Billigfriseur" an der Ecke gegangen. Wobei billig hier natürlich relativ ist, aber für Waschen, Schneiden, Föhnen wollen die seit 2004 unverändert 24 Euro, und da föhnen sie, wenn man sagt, man hat was vor und die Frisur soll mal richtig gut aussehen, auch gerne mal eine Dreiviertelstunde mit 10 Rundbürsten an einem herum. Den Spliss-Schnitt vor dem Waschen gibts gratis dazu!!
Hab in dem Laden schon drei Damen durch, weil eine schwanger wurde und zweie zurück in die Heimat gezogen sind, und war immer hoch zufrieden. Mein Mann geht mittlerweile auch hin und hat den besten Haarschnitt seines Lebens, und er ist eigentlich ein Friseur-Albtraum, er hat schnurgerades Haar, bei dem man - laut Friseur-Aussage - jeden winzigkleinen Schnittfehler sieht, und dazu noch den ganzen Kopf voller Knicke und Wirbel. In seiner Kindheit hat er original mal mitgekriegt, wie die Friseusen sich drum gestritten haben, wer ihn NICHT schneiden muß!!!
Und dann war ich in diesem Frühjahr dreimal in Berlin beim Friseur, zweimal zum Üben (Hochzeitsfrisur), davon einmal auch mit Waschen und Schneiden, und dann für die Hochzeit selbst, und die Dame war auch so top, daß ich da glatt wieder hingehen würde, weil meine letzte Stammfriseurin im Münchner Laden nun auch gerade wieder zurück nach Hause gezogen ist

Aber da ich nunmehr beim NW/SO-Projekt mitspiele, muß ich erstmal schauen, wies weitergeht. Selbertrimmen tu ich ja mittlerweile auch, also denke ich, daß ich bestimmt bis Jahresende oder noch länger ohne Friseurbesuch auskomme, und danach sehe ihc mal weiter...
In diesem Sinne Gute Nacht für heute!
Rapunzel
EDIT: Den muß ich noch dazusagen, Freunde von mir aus Dachau - ca. 40km Anfahrtsweg - kommen mittlerweile alle drei Mann hoch (Vater, Mutter und die kleine Tochter) zu diesem Friseur an der Ecke, weil sie auch reichlich miese Erfahrungen gemacht haben und hier so super zufrieden sind, daß sie die - für einen Friseurbesuch eigetnlich irrwitzig weite - Anfahrt gerne in Kauf nehmen...