Diese fadenförmigen Gebilde, welche aus der Haut von Säugetieren und damit auch des Menschen wachsen, erregte wohl schon seit Beginn der Menschwerdung die besondere Aufmerksamkeit seiner Besitzer. Alle Kulturen haben ihre Sitten, ihr Haar zu schneiden und zu tragen.
Das Haar hat, wie Gebein, Horn und Zahn, einigen Bestand über den Tod des Individuums hinaus und unterscheidet sich insofern von übrigen organischen Bestandteilen von Mensch und Tier. Interessanterweise soll das Haar auch nach dem Tode seines Trägers noch etwas weiterwachsen. (Nö, die Haut geht einfach nur zurück, so das es aussieht, als ob sie weitergewachsen wären...dasselbe Prinzip ist bei den Nägeln)
Im Haar werden Seele und Kraft vermutet, beispielsweise beim biblischen Simson, der über gewaltige Kräfte verfügte, solange er ungeschoren war. Daß während der Hexenverfolgungen den Opfern das Haar abgeschnitten wurde mag zum einen damit begründet sein, daß sich so leichter nach Hexenmalen suchen ließ, zum anderen damit, daß man so eine unterstellte übernatürliche Macht der Angeklagten zu dämpfen hoffte.
Auch die Herrschaft des Nisos, König der antiken griechischen Stadt Megara, soll von dessen Haar abgehangen haben. Nisos hatte nämlich, je nach Quelle goldenes (LUCIAN) oder purpurfarbenes Haar, von welchem ihm vom Orakel gesagt war, er solle solange herrschen, solange er dieses Haar trage (APOLLODOR). Als nun König Minos von Kreta kriegführend gegen Athen zog und dabei auch vor Megara erschien, verliebte sich Nisos’ Tochter Skylla in den Angreifer und sicherte ihm den Sieg, indem sie ihrem schlafenden Vater heimlich das Haar abschnitt. (n. HEDERICH, Sp. 1741f.)
Das Haar einer Zielperson wurde für etliche Zauberpraktiken benötigt, zum Beispiel beim Liebeszauber.
Aus dem Märchen bekannt ist die Prüfung, drei goldene Haare des Teufels zu erlangen.
Die Sagen und Märchen vom Bärenhäuter wissen von der Bedingung des Teufels, ein Begünstigter dürfe sieben Jahre lang weder Haare noch Nägel schneiden (GRIMM, Kinder- und Hausmärchen, 100 u. 101).
Bekannt ist das unheimliche Phänomen, daß die Haare eines Menschen nach entsetzlichem Erlebnis von einem Tag zum anderen weiß wird. Solches wird zum Beispiel von Menschen berichtet, die im Kriege durch Bombenangriffe verschüttet wurden und nur knapp mit dem Leben davonkamen.
Im Frühjahr 2002 erregte Gerede um angeblich getöntes Haupthaar des deutschen Bundeskanzlers Gerhard Schröder einiges Aufsehen in einer trotz Kriegen und massenhafter Erwerbslosigkeit offenbar ereignisarmer Zeit. Schröder ließ entsprechenden Gerüchten anwaltlich entgegentreten und lieferte damit ein Beispiel für die politische Bedeutung des Schopfes auch in der Gegenwart (siehe "Spiegel-Online" oder unter diesem Link).
Die erste Entscheidung des Gerichts fiel zu Gunsten des Kanzlers aus, doch wurde seitens der Beklagten Presseagentur, die einen Angriff auf die Freiheit der Presse befürchtet, Berufung angekündigt. Die weitere Entwicklung der haarigen Angelegenheit stand zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Absatzes noch aus (Mai 2002).
Nach nordischem Mythos sollen aus dem Haar des Urriesen Ymir die Bäume entstanden sein (Edda, Grimnismal 40).
Bei den nordischen Asengöttern heißt der Wald danach „Haar der Berge” (Alwislied, 28).
Um Worms meinte man: „kein ausgekämmtes haar werfe man auf die straße, weil man sonst vor zauber nicht sicher ist.” (GRIMM, Dt. Mythol. III., A. 557, 453) (könnte ja für Zaubertränke, Voodoo missbraucht werden

)
Schutzpatron der Frisöre ist der hl. Patrick von Irland.
Haarpflege
Eine Reihe pflanzenbasierter Rezepturen werden zur Pflege des Haars empfohlen, in der Regel sind dieses Öle oder Extrakte auch sonst gebräuchlicher Heilkräuter. Zu nennen sind Avocado, Brennessel, Eichenrinde, Hirse, Huflattich, Kamille, Meerestang, Panamarinde, Rosmarin, Salbei, Schachtelhalm, Spitzwegerich, Thymian, Weidenrinde und Weizenkeim unter deren Artikeln ggf. Einzelheiten nachzulesen sind.
Den Haarwuchs fördern Klette (SIEG, 222), Fettkraut, Königskerze, Schlingbaum, Walnuß, Wollkraut (LOSCH, 198) sowie die Brunnenkresse. Die Farbe des Haars zu erhalten wird der Melisse zugebilligt (SIEG, 143).
Vor grauen Haaren soll auch eine Mischung aus zwei Dritteln warmen Wasser und einem Drittel Essig schützen. Damit werden die Haare gewaschen, ohne hernach auszuspülen.
Im Mittelalter empfahl man gegen Haarausfall gekochte Seepferdchen. (GEBHARDT u. NESS, 106) (das arme Ding)
Haare färben
Zur Färbung verwendete man zum Beispiel die Königskerze (SIEG, 187).
Im Aberglauben heißt es, dem Säugling dürfe bis zum ersten Geburtstag das Haar nicht geschnitten werden, da es sonst dumm werde (WEHR, 133).
Für einen Liebszauber sollen junge Mädchen dem Mann ihres Herzens eines ihrer Haare ins Essen mischen, dann müsse er bei ihr werben (Das sechste und siebente Buch Mosis, 145).
Rotes Haar
Manchem Aberglauben nach sind besonders Menschen mit roten Haaren häufig Hexen, es sei ihnen nicht zu trauen.
Ein Berliner Auspruch lautet: „Rother Bart, Teufels Art” (KUHN u. SCHWARTZ, C. 435).
Ähnlich ist der Spruch: „Rote Haare / Sommersprossen / sind des Teufels Tischgenossen.”
Weiteres zum Haar
„Wo Haar ist, ist Lust”, heißt es.
Der Römer TACITUS berichtet von den Sitten germanischer Stämme: „Ein auch bei anderen germanischen Völkern vorhandener Brauch, der freilich selten ist und dem persönlichen Wagemut des einzelnen entspringt, ist bei den Chatten allgemein üblich geworden: Sobald sie herangewachsen sind, lassen sie Haar und Bart frei wachsen und emntledigen sich erst nach Tötung eines Feindes dieser Kopftracht, das beruht auf einenm Gelübde und verpflichtet zur Tapferkeit.” (Germania, Nr. 31)
„Krankheiten hext man seinen Feinden dadurch an, daß man ihnen bezauberte Haare nachwirft, oder solche vor eine Thür hinstreut, durch welche der zu Beschädigende hindurch gehen muß.” (v. TETTAU und TEMME, Die Volkssagen Preußens, Berlin 1837, n. FRISCHBIER, 5)
Keinesfalls soll man seine ausgekämmten Haare achtlos fortwerfen, sondern stets verbrennen. Denn „trägt sie ein vogel in sein nest, bekommt man kopfschmerzen, trägt sie ein star zu neste, wird man staarblind.” (GRIMM, A. 1027)
Gemeinhin heißt es, ob Haare glatt oder gewellt sind, hänge vom Erbgut der Eltern ab. Dagegen weiß ein Aberglaube aus dem Lande ob der Ens: „wird das kind, gleich nachdem es aus mutter leib kommt, in einen pelz gewickelt, kriegt es krause haare.” (GRIMM, A. 734)
Ein Kind soll nicht während der Baumblüte entwöhnt werden, sonst bekomme es graue Haare, mahnte man in Osterode am Harz. (GRIMM, A. 767)
Als man dem Simson seine sieben Locken geschoren hatte, wich dessen übermenschliche Kraft von ihm. (Richter, 16,19)
Die Angehörigen der um die Zeitenwende in Palästina wirkenden Religionsgemeinschaft der Nasiräer, der auch Johannes der Täufer angehörte, schnitten sich die Haare nicht.
Solches Verhalten ist auch von den fränkischen Merowingern überliefert.