blondeulli hat geschrieben:
Sanna hat geschrieben:
Ich finde das Thema sehr interesannt und finde es hat seinen eigenen Fred verdient
Ich selbst habe meine Ausbildung im Altenheim gemacht und ich bin auch schon zu Besuch bei Angehörigen in Heimen oder Krankenhäusern gewesen.
Ich musste mich oft über den Umgang mit den Bewohnern wundern.
Ich weiss nicht ob ich wenn ich die 70 mal passiert habe, interesse daran habe wie ein Kleinkind behandelt zu werden.
Wahrscheinlich wäre mir Zuwendung in Form von Körperhygiene wichtiger, die mit alle 21 Tage waschen sicher nicht gegeben ist, als kitschige Sing und Bewegungsspiele, oder dieses tätscheln der Bewohner seitens der Pfleger mit dem Komentar "Eiiiiii wer ist denn daaa" ?.
Wenn ich bedenke was ein Heimplatz kostet, sollte die individuelle Betreuung eine Selbstverständlichkeit sein und keine Massenabfertigung, wie es heute der Fall ist
Ich bin da absolut deiner Meinung Sanna! Vor allem deine Meinung zu der individuellen Betreuung bei den Kosten eines Heimplatzes hast du meine volle Zustimmung. Ich arbeite bei einer Krankenversicherung und weiß, was Pflegeplätze heutzutage kosten (4000 Euro im Monat sind nicht selten
). Und dafür kann ich auch eine Haarwäsche verlangen, wann ich meine, dass sie notwendig ist.
Ich glaube, nur ein Bruchteil davon geht in die Pflege des Patienten. Er muss ja auch essen, die üblichen Nebenkosten zahlen, bekommt evtl. täglich die Bettwäsche gewaschen usw.
Man kennt die ganzen Pflegeberichte über überfordertes Pflegepersonal, des selbst sehr wenig Geld bekommt und eigentlich für keinen Bewohner richtig Zeit hat, so dass freundliche Behandlung rein schon aus Zeitmangel selten ist. Wenn die Arbeitsbealstung so groß ist, dass man mit Mühe und Not die "Grundpflege" schafft, und bei der schon knappsen muss, bleibt auch keine Zeit für absoluten Luxus wie freundliche Behandlung oder gar Diskussionen über Haarlängen.
Mein Einblick in das Thema stammt aus Büchern und von drei Angehörigen, die im Heim waren. Eine war noch sehr rüstig, nur etwas verwirrt, aber mMn weniger dement sondern sie lebte eher nicht mehr in der heutigen Zeit und verstand vieles nicht (hatte fast 20 Jahre selten ihren Wohnort verlassen und die letzen 5 Jahre auch selten ihre Wohnung), der dritte hatte beide Beine amputiert und seine Frau war irgendwann mit der Pflege körperlich überfordert. Die Zweitgenannte war nach einem halben Jahr im Heim tot, runtergemagert von 10-15 kg Übergwicht auf deutliches Untergewicht.
Ich vermute - große Spekulation - dass der Großteil der Heimkosten auf das Konto des Heimbetreibers fließt, denn meines Wissens bekommen die Mitarbeiter oft wenig Geld und von einer Köchin hörte ich mal, sie sollte für ca. 4 € jedem Bewohner 4 Mahlzeiten (inklusive Kaffeetrinken) pro Tag ermöglichen und es wurde sehr auf Sparsamkeit gemahnt. Da war dann nur einmal Kuchen in der Woche drin (okay), aber ansonsten auch nicht viel und nicht unbedingt frisches Essen.
Wenn Heimbewohner, was wohl nicht so ganz selten der Fall ist, ums Essen bangen müssen - zu wenig, zu eintönig, zu ungesund oder gar farbloser Brei - dann sind lange Haare eben Luxus. Wenn Heimpersonal, was jedenfalls auch in den 90ern im Heim meines Großvaters, der beide Beine amputiert hatte, so überfordert sind, dass sie (ärmere) Bewohner anschreien oder Sätze bringen "wir haben Mittagspause, Sie können jetzt nicht auf Toilette", dann sind lange Haare für die meisten Bewohner kein Thema, denn es geht eher Richtung nacktes Überleben, für viele im Wortsinne, für die meisten aber bezogen auf die psychische Gesundheit. Man lernt recht schnell, dass man nichts mehr wert ist, weniger als ein Gefängnisinsasse in den Heimen, die ich gesehen habe (besonders das von meinem Großvater, obwohl seine Frau über 12 Stunden am Tag dort war und alles für ihn tat, was ihr möglich war, was ihm dann z.B. öfter frischeres Essen und Kuchen bescherte, weil sie das mitbrachte).
Eine Bekannte von mir hat sich mal versprochen und sagte "Insassen", und mMn war das ein freudscher Versprecher.
Ich würde gern mal wissen, wo genau das Geld hinfließt und wie viel tatsächlich dem Bewohner selbst zugute kommt (für seine Pflege und alltägliche Versorgung sowie das reine Wohnen) und mich wundert, dass Krankenkassen, die ja Geld sparen wollen, da noch nicht nachgehakt bzw. Alarm geschlagen haben, falls wirklich der Betreiber sich ein Großteil in die Tasche steckt - denn warum sollte die Krankenkasse das finanzieren wollen.
Viele ältere Menschen in Heimen kann man leicht entmündigen - sie reden dann halt "Quatsch", wenn sie mal die Chance haben sollten, die Polizei zu rufen, so gelesen bei Breitscheidl und ich kann es mir nach meinen Erfahrungen absolut vorstellen - und wenn man einem Menschen wörtlich fast alles genommen hat, möchte der nur noch überleben (in eingen Fällen auch sterben; selbst gehört - damit die Quälerei ein Ende ha) und hat weder die Kapazitäten noch die Möglichkeiten sich um Luxus wie Haarlänge oder Haarwäsche zu kümmern.
Mich wundert immer, dass anscheinend keiner der vielen involvierten Menschen, inklusive Heimbetreiber, Heimaufsicht, Ärzte, Polizisten etc., Gedanken macht, wie er selbst mit der Situation klarkommen
wird (nicht würde, sondern was passiert, wenn ich soweit bin?!).
Den de facto werden heute immer noch - s. aktuelle Berichterstattungen und Diskussionen - viele Menschen in Heimen schlimmer behandelt als Gefängnisinsassen und in einer Weise, die anderen Menschen einen längeren Gefängnisaufenthalt bescheren würde, würden sie sie auf jüngere Menschen (z.B. Kinder) anwenden. Aber offenbar kümmert das viele nur theoretisch und man kann wenig ändern, obwohl die Gefahr groß ist, dass jeder irgendwann mal in die Situation kommt.
Ich hoffe sehr, dass, wenn ich soweit bin, meine Haarlänge eine meiner Sorgen sein wird und nicht die Frage, ob heute jemand mit mir redet, mal das Zimmer lüftet, ob ich rechtzeitig auf Toilette gebracht werde oder wie lange ich in meinem Urin liegen muss, oder ob ich heute mal das Bett verlassen darf und ob ich jemanden treffe, mit dem ich reden kann oder nur demente Menschen oder gar nur gegen die Wand starren kann. Und ob ich heute feste, erkennbare Nahrung oder nur braunen Brei serviert bekommen und ob und wie ich diese selbst essen kann.
Wenn Haarlänge meine größte Sorge wäre, wäre ich sicherlich in einem der besseren Heime untergekommen und verglichen mit vielen andern sehr glücklich!
LG von
Tasha