Registriert: 08.10.2009, 18:52 Beiträge: 1308
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Hey Dahlia, kannst mich gern Indi nennen - Die anderen natürlich auch - Versteckt:Spoiler anzeigen
- Naja, Intensivstation stelle ich mir aber auch nicht viel besser vor, im Gegenteil... Auf der Onkologie/ Hämatologie habe ich mich oft etwas fehl am Platz gefühlt. Dennoch waren dort alle sehr lieb und ich habe mich mit den anderen Patienten gut verstanden. Anfangs teilte ich mir mit einer Leukämieerkrankten Frau ein Zimmer, wir haben uns sehr gut verstanden und ich habe ihr oft bei gewissen Dingen geholfen, die sie aufgrund ihrer Erkrankung kaum noch selbst bewerkstelligen konnte. Sie hat mir auch einiges über ihre Krankheit erzählt und wir haben uns gut ausgetauscht. Als es dann allerdings erst hieß, ich habe auch Leukämie, war das für mich schon hart. Zum einen hatte mein Vater selbst schon Krebs (zum Glück ist er geheilt) und ich wusste nur zu gut, wie hart das ist, zum anderen konnte ich ja anhand meiner Bettnachbarin ganz gut sehen, was da auf mich zukommen würde. Da war die Diagnose "aplastische Anämie" für meine Ohren doch erträglicher (auch, wenn das totaler Unsinn ist, denn beide Krankheiten sind lebensbedrohlich und aplastische Anämie ruft ziemlich häufig nachträglich Krebs hervor).
Hmm, das Erlebnis mit der Transfusion klingt ja komisch... Bei mir musste extra immer ein Arzt kommen, um mir die Transfusion anzuschließen und zur Sicherheit wurde auch jedesmal extra nochmal nach meinem Namen sowie Geburtsdatum gefragt, bevor auch nur irgendetwas gemacht wurde. Die Schwestern durften da nie dran, höchstens nach durchgelaufener Transfusion zum abklemmen. Oh ja, wie die Angestellten da manchmal auf ihre Patienten wirken - da hab ich auch ne nette Geschichte Denn die Diagnose "Leukämie" habe ich nicht etwa durch die Ärzte mitgeteilt bekommen. Es hat ewig gedauert, bis man mir überhaupt mal was gesagt hat, was es denn sein könnte. Auf jeden Fall gab es dort einen Pfleger, der anscheinend auch vorher nicht nachgedacht hat, bevor er anfing zu reden. Er stellte sich mir vor, sagte, er sei heute für mich zuständig und wollte dann wissen, was ich denn überhaupt habe. Ich sagte ihm also dass ich eine Panzytopenie hätte und man aber noch nicht wüsste, was es nun genau ist. Da kramt er sein schlaues Zettelchen mit meinen Daten raus, sagt "Ich kann ja mal gucken, was hier drauf steht" und dann "Frau 0815Individuum, Sie haben also Leukämie". Mein Freund war zu dem Zeitpunkt im Raum genau so wie natürlich die Bettnachbarin mit Besuch. Das fand ich unmöglich. du kannst dir bestimmt vorstellen, wie geschockt ich da war. Er sagte das so trocken und selbstverständlich, und es war kurz nach der Knochenmarkbiopsie, sodass ich direkt dachte, dass das nun das offizielle Ergebnis dieser Untersuchung sei. Zum Glück kam am selben Abend noch die Ärztin und erklärte mir, dass es sich wahrscheinlich um aplastische Anämie handele. Sie war ziemlich erstaunt, dass ich da relativ erleichtert und gelassen reagierte. Als ich ihr dann erklärte, dass Pfleger XY mir einige Stunden vorher das mit der Leukämie steckte, war sie nicht so begeistert davon. Ich glaube, der hat nochmal was zu hören gekriegt von ihr Habe ihn danach auch nicht mehr gesehen. Hmm, also mein Umfeld hat schon größtenteils verstanden, dass es ernst ist. Ich habe zwar immer ziemlich nüchtern und neutral Bericht erstattet, aber irgendwie haben die Menschen da doch schnell verstanden, dass das nichts harmloses ist. Viele haben dann auch um mich geweint und sich echt Sorgen gemacht. Ich wollte davon aber nichts hören, weil ich mir nie sterbenskrank vorkam und immer dachte, es könne ja gar nicht so schlimm sein. Dass ich damit Recht behalten sollte, damit hätte ich aber dann ehrlich gesagt niemals gerechnet. Ich habe mir immer kleinere Etappenziele gesetzt, die auch gleichzeitig immer einen Schritt weiter in die Normalität bedeuteten. Das war mein "Geheimrezept", denn so habe ich immer nach vorn geguckt und für die Ziele gekämpft, statt mich selbst zu bemitleiden oder Angst zu haben.Ich habe mir so auch meinen Optimismus bewahrt, was dann wiederum beruhigend auf mein Umfeld wirkte. Ja, meine Story ist schon außergewöhnlich. Dass ich so schnell wieder gesunde, damit hat niemand gerechnet. Ich habe unglaublich viel Glück gehabt. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass die innere Einstellung da sehr viel ausmacht. Ich habe natürlich auch sehr viel gegooglet und mir ganz viele Broschüren etc durchgelesen. Ich wollte immer alles ganz genau wissen, um mich besser darauf einstellen zu können. Vor allem, weil es einfach eine so superseltene Krankheit ist. Der Austausch mit den Gleichgesinnten hat mir echt geholfen. Man hat mir auch alles haarklein erklärt und mir auch die noch so unschönsten Seiten der aplastischen Anämie gezeigt, aber das wollte ich auch so. Ich wollte einfach genau wissen, was wie warum mit mir geschieht bzw. geschehen würde. Die Gleichgesinnten haben mir aber immer Mut gemacht und sagten, dass es zwar eine harte Zeit wäre mit der Krankheit und man erst nach Jahren wieder einen relativ normalen Tagesablauf mit Job etc erleben könne, aber dass es sich lohnen würde, zu kämpfen und man es gut schaffen kann (Mit einer Transplantation hätte ich übrigens eine Heilungschance von etwa 70% gehabt. Und das wäre auch die einzige Lösung zur Heilung gewesen). Ich habe auch jedes Mal meine Werte und Ergebnisse etc protokolliert, das tu ich auch jetzt noch. Einfach, damit ich für mich besser einschätzen kann, wann ich mich mit welchem Wert wie gefühlt habe und worauf ich Acht geben sollte. Ich mag es nicht, nicht genug zu wissen. Die Ärzte teilen einem ja auch nicht immer alles haarklein mit oder erklären alle Werte (was ich auch verstehen kann, so ist es nicht). Aber mir hat das gut geholfen, den Überblick zu bewahren. Mittlerweile kenne ich mich mit den Werten selbst ziemlich gut aus Hilfreich war es vor allem in Bezug auf den LUC-Wert, der maßgeblich zu den schlimmen Diagnosen geführt hat und gleichzeitig signifikant für meine offizielle "Gesundung" war. Die meisten Menschen aus meinem Umfeld können gar nicht nachvollziehen, dass ich so urplötzlich wieder gesund wurde und woran das lag etc. Seitdem ich weiß, was es mit diesem Wert auf sich hat, kann ich es ihnen besser erklären und weiß auch für mich selbst, was warum wieso auf einmal die Gefahr gebannt war.
(Zur Erläuterung, falls es dich interessiert: LUC steht für "large unstained cells". Man bezieht sich dabei auf große Zellen im Blut, die nicht identifizierbar sind. Normalerweise werden die Zellen im Blut durch Färbung und Zählung identifiziert, bei mir hat man aber eben viele Zellen gefunden, die mit dieser Technik nicht eindeutig identifizierbar waren. Also hatte ich eine höhere Anzahl an "large unstained cells" im Blut als man normalerweise hat (Der LUC-Normwert liegt bei unter 4%, ich hatte ca. 5%). Bei diesen großen, nicht eindeutig identifizierbaren Zellen kann es sich um Virozyten, Stammzellen etc handeln. Liegt der LUC-Wert über dem Normbereich, kann dies auf Krankheiten wie eben Leukämie oder auch aplastische Anämie hinweisen. Da mein LUC-Wert sich aber wieder von selbst normalisierte (liegt jetzt bei etwa 1%), konnte man dann doch diese fiesen Diagnosen verwerfen. Hätte ich wirklich eine dieser Krankheiten gehabt, wäre mein LUC-Wert nicht von selbst gesunken. Da dann auch meine anderen Werte wieder im Normbereich angelangt waren, konnte ich letztendlich als "gesund" erklärt werden (wobei mein Knochenmark ja noch immer etwas angegriffen ist und ich ja auch weiterhin einen Eisenmangel hab). Das einzige, was ich an dieser LUC-Geschichte nur gruselig finde: Fakt ist ja, dass ich erst viele "fiese" Zellen im Blut hatte. Woher die kamen, weiß man ja leider (noch) nicht. Einfach die Vorstellung, dass da verhältnismäßig viele nicht identifizierbare und "böse" Zellen für lange Zeit in meinem Blut waren und ich davon nichts mitbekommen habe, finde ich ziemlich unheimlich
...und schon wieder einen halben Roman geschrieben Hoffentlich langweile ich dich oder irgendwen hier nicht damit, dann einfach Bescheid geben Nein, ich fasse das nicht negativ auf. Bin froh, dass ich das auch mal alles so runterschreiben und mich austauschen kann, tut irgendwie ganz gut. Vor allem, um dieses "Alien-Gefühl" zu mildern Ich finde es auch toll, selbst hier im Haarforum auf Menschen mit ähnlichen Erlebnissen zu stoßen. Da fühlt man sich nicht mehr so fremd gegenüber anderen
_________________ 1bMii - Färbepause seit Juni 20140815Individuum - Nach der Anämie: Neustart bei BSL Ziele: Taille 80 cm SSS/ Hüfte 85 cm SSS/ Steiß 98 cm SSS/ evtl. Klassisch 115 cm SSS
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