Ich habe einen sehr interessanten Artikel gefunden !
Was wir von der Steinzeit lernen können
von Kenneth F. Kiple
Manche Wissenschaftler lehren mittlerweile (...), dass der
Mensch (...) viel gesünder leben würde, wenn er sich wie unsere steinzeitlichen Vorfahren ernährte - wie die Jäger und Sammler:
Wir sollten uns endlich eingestehen, dass uns schon vor mindestens 40.000 Jahren ein optimaler Speiseplan einprogrammiert worden sei. (...)
Erstaunlich ist die Erkenntnis einiger Anthropologen, dass der Speiseplan von Jägern und Sammlern weitaus abwechslungsreicher war als der ihrer sesshaften Nachkommen, die Landwirtschaft betrieben. Tatsächlich scheint es, als überragten Jäger und Sammler hinsichtlich ihrer Körpergröße praktisch alle Menschen, die nach ihnen lebten. Erst im vergangenen Jahrhundert hat die Menschheit - zumindest in den westlichen Ländern - damit begonnen, wieder zur körperlichen Größe ihrer Urahnen vor 25.000 bis 10.000 Jahren aufzuschließen.
Vergleiche von Knochenüberresten belegen aber nicht nur, dass die Körpergröße parallel zur Sesshaftwerdung zurückgegangen ist sowie einen insgesamt schlechteren Gesundheitszustand und eine Zunahme der Säuglings- und Kindersterblichkeit. Sie zeigen auch diverse Knochen- und Zahnschäden, die ganz offenbar die Folge einer einseitigen Ernährung und einer höheren Anfälligkeit gegenüber Parasiten waren.
Paradoxerweise führte also eine ausreichende Nahrungsmittel-produktion zu Mangelerscheinungen; und die "landwirtschaftliche Revolution" im Neolithikum, die allgemeinen als der wichtigste Entwicklungsschritt der Menschheitsgeschichte gilt, zu einem Rückschritt in der Gesundheit.
Menschliche Wesen leben bekanntlich seit einigen Millionen Jahren recht erfolgreich auf der Erde. Lange ernährten sie sich hauptsächlich von rohen Pflanzen. Ein Beleg dafür ist, dass der Mensch zu den ganz wenigen Säugetieren gehört, deren Körper Vitamin C nicht selber synthetisieren kann. Diese spezielle Fähigkeit könnte im Laufe der Evolution verloren gegangen sein, weil Vitamin C in Früchten und Wildgemüse ohnehin reichlich vorhanden war.
Vor ungefähr 1,5 Millionen Jahren begannen die Menschen dann mehr und mehr Fleisch zu verzehren. Seit etwa 700.000 Jahren gehen sie planmäßig auf die Jagd, und seit rund 100.000 Jahren ist Homo Sapiens ein perfekter Waidmann. Wahrscheinlich bestand dessen Nahrung überwiegend aus Fleisch - hinzu kamen Wildgemüse und Obst.
Angesichts solcher Erkenntnisse kann man behaupten, dass sich eine Diät aus jenen drei Nahrungsmittelgruppen seit Urzeiten bewährt hat. Die Jäger und Sammler jedenfalls sind glänzend damit zurechtgekommen.
Sie kannten ja auch weder Getreide- noch Milchprodukte - Nahrungsmittel, die erst der sesshafte Bauer geliefert hat und die wir heute für unverzichtbar halten.
Fleisch hingegen ist heute in Misskredit geraten: Schon vor BSE hat man es verdächtigt, zu chronischen Krankheiten beizutragen - besonders zu solchen des Herzens. Doch jene Menschen, die auch heute noch als Jäger und Sammler wie in der Steinzeit leben, liefern dafür nicht das geringste Indiz: Obwohl zum Beispiel die !Kung San in der südafrikanischen Kalahari-Wüste sehr viel mehr Fleisch genießen, als die heutige Ernährungswissenschaft empfiehlt, ist ihr Cholesterinspiegel ausgesprochen niedrig. Herzleiden kennen sie praktisch gar nicht.
Auch die Inuit ernährten sich noch bis vor kurzem hauptsächlich von Robbenfleisch und -fett, und ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich erst, als sie sich wie wir zu ernähren begannen.
Allerdings ist das Fleisch von Beutetieren im allgemeinen wesentlich weniger fett als das ihrer domestizierten Artgenossen und das Verhältnis zwischen mehrfach ungesättigten und gesättigten Fettsäuren günstiger. Daher nehmen Experten an, dass unsere Vorfahren mit Fett nur etwa ein Fünftel ihrer Kalorien aufgenommen haben, halb so viel, wie heute üblich.
Der Cholesteringehalt von Fleisch hat allerdings wenig mit dem Fettanteil zu tun, und deshalb werden unsere Vorfahren mehr Cholesterin konsumiert haben, als wir es tun - weit mehr jedenfalls, als uns Ärzte heute empfehlen. Nun behaupten aber manche Wissenschaftler, Cholesterin sei keineswegs die Ursache für Erkrankungen der Herzkranzgefäße.
Daten aus ganz Europa haben sie nämlich auf die Spur eines interessanten Zusammenhangs geführt:
Menschen, die in den vier Ländern Europas mit den meisten Herzkrankheiten leben (alle in Nordeuropa) nehmen viel mehr Kalzium zu sich als die Menschen, die in den vier Ländern mit der geringsten Anzahl tödlicher Herzerkrankungen zu Hause sind (alle in Südeuropa).
In diesem Zusammenhang fragen die Wissenschaftler, ob nicht die Herkunft des Kalziums entscheidend dafür ist, ob es der Gesundheit nutzt oder schadet. Jäger und Sammler haben diesen Stoff hauptsächlich mit der Pflanzennahrung zu sich genommen. Seit der "landwirtschaftlichen Revolution" aber stammt das Kalzium vorzugsweise aus Milchprodukten wie Käse und Joghurt - und natürlich aus der Milch selbst. Wenn man sie verträgt.
Das ist der Punkt: Wahrscheinlich trinken Südeuropäer nach der Stillzeit weniger Milch, weil sie zur Laktoseunverträglichkeit neigen. Bei Käse und Joghurt ist das Problem geringer, da die Laktose, der Milchzucker, sich nach der Gerinnung der Milch in Milchsäure wandelt.
(...)
Interessanterweise sind die Regionen Europas, in denen Herzleiden am häufigsten vorkommen, auch mit denen identisch, in denen viele Haferprodukte gegessen werden. Hafer enthält ebenfalls reichlich Kalzium - und diese Spur führt uns zum Getreide insgesamt, jener anderen neuen Gruppe von Nahrungsmitteln. Denn auch das Klebereiweiß von Weizen, Roggen, Gerste und Hafer können manche Menschen nicht vertragen. Sie sind also offensichtlich an das "neue" Getreide nicht angepasst.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Zöliakie, eine relativ seltene genetisch bedingte Unverträglichkeit, dort am häufigsten auftritt, wo viel Weizen wächst.
Natürlich stellt sich die Frage, wie die Landwirtschaft eine solche Bedeutung erlangen konnte, wenn die Menschen deren Produkte so vergleichsweise schlecht vertrugen. Ganz einfach: Getreide wurde ursprünglich weniger gegessen als getrunken. Aus Gerste gebrautes Bier wurde bereits vor mindestens 7. 500 Jahren konsumiert, und die Sumerer haben etwa 40 Prozent der Getreideernte in Bier verwandelt. Bier ist älter als Brot.
Dass Getreide dann doch zum Hauptnahrungsmittel wurde - Weizen in klimatisch gemäßigten Teilen Asiens und Europas, Reis im tropischen und subtropischen Asien, Hirse und Sorghum in Afrika und Mais in Nord- und Südamerika - , ist womöglich der Hauptgrund für die Abnahme der Körpergröße und die Verschlechterung der Zahn- und Knochenstruktur.
Denn "Supernahrungsmittel" waren Getreideprodukte nur insoweit, als sie in großer Menge verfügbar wurden und eine wachsende Menschheit ernähren konnten. Was ihren Nährstoffgehalt betrifft, waren sie hingegen alles andere als super. Fast sämtliche Arten liefern zuwenig Eisen und kaum Aminosäuren, sie behindern sogar häufig die Wirkung anderer Nährstoffe.
So bremst Reis Vitamin A aus. Dass die Phytinsäure in der Weizenkleie Zink bindet, verhindert dessen Aufnahme im Körper und kann für das Wachstum von Kindern nachteilig sein. Mais wiederum enthält nicht nur Phytate, die eine Eisenresorption verhindern, sondern auch Saccharose.
In Jäger-und-Sammler-Kreisen war Karies bezeichnenderweise äußerst selten.
(...)
Besonders bedrohlich wirkt sich die Aufgabe des seit Urzeiten üblichen Speiseplans für Menschen in Ãœbergangsgesellschaften aus - besonders, wenn sie sich infolge einer sich ändernden Lebensart weniger bewegen, weil sie etwa nicht mehr jagen.
Sowohl bei den Indianern und den Inuit Nordamerikas als auch bei den Aborigines Australiens und bei Pazifikinsulanern war dann stets eine jähe Verschlechterung des allgemeinen Gesundheits-zustandes zu registrieren - etwa eine enorme Zunahme von Diabetes.
Natürlich müsste noch detaillierter erforscht werden, in welchem Maße sich die Zunahme chronischer Erkrankungen mit der Abkehr von der steinzeitlichen Ernährungsweise begründen lässt.
(...)
Gewiss, kaum jemand würde gern zur Lebensweise der Jäger und Sammler zurückkehren. Aber auch wenn die Menscheitsgeschichte keinen für heutige Umstände idealen Speiseplan liefert, so sind doch immerhin einige Empfehlungen aus ihr herauszulesen.
Ernst zu nehmen von dem, was die Wissenschaftler über die Ernährungsweise in der Steinzeit herausgefunden haben, ist insbesondere die Erkenntnis, dass die natürliche Selektion Zeit braucht, um unseren Körper so zu verändern, dass er mit dem bisher entwickelten Ernährungsprogramm problemlos zurechtkommt.
(...)
Quelle: GEO Sonderheft Wissen Nr. 28, "Ernährung", 2001,
Seite 64 - 69.
_________________ 1bFii ~ Feenhaare ~ DM: 0,04-0,03mm ~ UF: 7cm ~ Steißbeinlänge ~ 84,5cm ~ 08/11 ~ NHF: Beautiful dark shining silver ~ Winter: NW/SO ~ Sommer: Seifenkraut
*Älter werden ist nichts für Feiglinge* Mae West
|