Glycerin
INCI: Glycerol (CAS-Nummer: 56-81-5)
Glycerin ist Teil des hauteigenen Feuchthaltesystems, zu dem auch Harnstoff, Aminosäuren, Salze u. a. Substanzen gehören, die als Natural Moisturizing Factor (NMF) im Stratum corneum vorhanden sind. Glycerin wird bei der Hydrolyse hauteigener Lipide (z. B. in den Talgdrüsen) frei und gelangt so ins Stratum corneum. Seine Pharmakokinetik, d. h. sein Verhalten im Körper, Wechselwirkungen mit anderen Substanzen, wie es verteilt, abgebaut und ausgeschieden wird, ist in der Forschung gut dokumentiert; Glycerin als körpereigene Substanz gilt als ausgezeichnet verträglich.¹
Es entsteht als Nebenprodukt der Oleochemie u. a. durch Spaltung von pflanzlichen (oder tierischen) Fetten in Glycerin und Fettsäuren (wie bei der Verseifung), wird heute jedoch verstärkt aus Propylen gewonnen, einem ungesättigten Kohlenwasserstoff, und in letzter Zeit vor allem als Nebenprodukt der Biodieselerzeugung. Chemisch gesehen ist es ein 3-wertiger Alkohol mit 3 OH-Gruppen mit dem Namen 1, 2, 3-Propantriol und der Summenformel C3H8O3. Für unsere Naturkosmetik empfiehlt sich der Einsatz rein pflanzlichen Bio-Glycerins.
Wir kaufen Glycerin als farb- und geruchslose, zähfließende Flüssigkeit. Es gibt Glycerin in unterschiedlichen Verdünnungen auf dem Markt. Rohglycerin besteht aus ca. 80 % Glycerin, Wasser, Rohasche und 0,1–2 % organischen Verbindungen aus nicht veresterten Fettsäuren. Üblich ist eine 86%ige, gereinigte Lösung, es wird jedoch auch reines, 99,5%iges Glycerin (für pharmazeutische Zwecke, »Pharmagrade«) angeboten.
Bezugsquellen in Europa
Glycerin erhalten Sie bei allen Rohstoff-Shops, die kosmetische Rohstoffe führen. Pflanzliches Bio-Glycerin (99%ig) führt die Manske GmbH. Eine Übersicht aller Online-Shops mit Direkt-Link ist in dieser Liste zusammengestellt.
Wirkung und kosmetischer Einsatz
Glycerin wirkt effektiv hydratisierend: es ist bereits viele Jahre als Feuchtigkeit bindende Substanz bekannt. Es hat eine beeindruckende hydratisierende Wirkung und übertrifft die von Harnstoff (Urea) deutlich. Allerdings ist die Wirkung von Glycerin von der Einsatzdosis abhängig (im Gegensatz zu Harnstoff, bei dem eine 10%ige Zubereitung im Vergleich zu einer 5%igen keinen signifikanten Zuwachs der Hydratisierung zeigte). Prof. Dr. Gloor untersuchte konzentrationsabhängige Unterschiede in der hydratisierenden Wirkung von Glycerin in einer O/W-Emulsion; verglichen wurde eine 5- und eine 10%ige Dosierung. Die 10%ige Grundlage zeigte einen signifikant besseren hydratisierenden Effekt. Interessant ist der Vergleich von Emulsionen mit der Kombination 5 % Glycerin/5 % Harnstoff gegenüber 5 sowie 10 % Harnstoff und 5 % Glycerin alleine; die Kombination von Harnstoff und Glycerin zeigte sich besonders effektiv befeuchtend. In Verbindung mit polaren, lamellaren Lipiden (Phospholipide, Ceramide usw.) weist Glycerin bereits in einer 1%igen Konzentration einen hydratisierenden Effekt auf. Wir können dies für uns nutzen, wenn wir Rezepturen auf Basis von Lecithinen, Unverseifbarem und einer sinnvollen Ölkombination planen.
Glycerin wirkt barriereschützend: Neuere Studien (1998/1999) belegen nicht nur seine hervorragende Feuchthaltewirkung, sondern bescheinigen Glycerin eine Stabilisierung der Barrierefunktionen der Haut in Form einer regulatorischen Beeinflussung, in dem es die Lipidstrukturen in den Hornschichtlipiden verformbar macht. Diese können in einer fest-, flüssig- oder gelkristallinen Struktur vorliegen; Glycerin fördert flüssig-kristalline Strukturen und erhöht nachweislich die Hautelastizität.³
Belegt ist auch die mildernde Wirkung von Glycerin beim Einsatz von Tensiden, z. B. in Reinigungspräparaten: In Studien (u. a. durch J. Bettinger 1998 und J. W. Fluhr 1999) konnte nachgewiesen werden, dass die Hornschicht nach Reizung der Haut mit Natriumlaurylsulfat (einem aggressiven Tensid, das in der Dermatologie gerne in Hautirritationstests verwendet wird) durch Zubereitungen mit Glycerin effektiv regeneriert und hydratisiert werden konnte, und zwar über die Anwendungszeit hinaus: noch nach einer Woche Behandlungspause wurde eine anhaltende erhöhte Hornschichtfeuchtigkeit und ein verminderter transepidermaler Wasserverlust belegt. Auch die hornschichtschädigende Wirkung von O/W-Emulsionen wird durch den Zusatz von Glycerin weitgehend vermieden. Dies prädestiniert Glycerin als hydratisierende Substanz mit anhaltender Wirkung, die nicht einfach nur hydratisiert, sondern die Hautbarriere anhaltend regeneriert.
Trocknet Glycerin aus? In vielen Internetquellen und Foren wird Glycerin undifferenziert als austrockend beschrieben, seriöse Quellenangaben finden sich zu dieser Aussage nie (weil es keine seriösen Quellen gibt, die dies behaupten). Glycerin wirkt tatsächlich stark feuchtigkeitsanziehend; je nach Konzentration zieht es unterschiedlich stark Wasser aus der Basalschicht (Stratum basale) nach oben und hält es in der Hornschicht, dem Stratum corneum, fest – es lässt es jedoch nicht abdunsten. Dieser Weg ist übrigens der ganz normale Weg hauteigenen Wassers; es wird aus der Basalschicht geliefert. Warnungen beziehen sich ausschließlich auf sehr hohe Dosierungen ab 30 % (Wolfgang Raab, Ursula Kindl: Pflegekosmetik, 4. Auflage Stuttgart 2004) und beweist nur die Effektivität dieses Wirkstoffs – bei der oben empfohlenen Einsatzkonzentration unter 10 % (so die Fachliteratur) ist in keiner Weise eine Gefahr gegeben. Noch stärker hygroskopisch wirken übrigens Natriumlaktat und das Salz der Pyrrolidoncarbonsäure (bekannt als Sodium PCA), einem Abbauprodukt der Aminosäure Glutaminsäure. Interessant ist, dass die hygroskopische Wirkung von der relativen Luftfeuchtigkeit abzuhängen scheint; bei 6 % relativer Luftfeuchte weist Glycerin keine hygroskopische Wirkung auf, im Gegensatz zu bei 92 % (Froebe u. a. 1992, in: M. Gloor, K. Thoma, J. Fluhr: Dermatologische Externatherapie, 2002). Bei der Beurteilung einer hydratisierenden Substanz scheint es von Vorteil zu sein, dass sie tief in die Hornschicht penetriert und dort bleibt; für Glycerin trifft beides zu.
Verarbeitung
Glycerin eignet sich als hydratisierender Wirkstoff für trockene, feuchtigkeitsarme Haut in Pflegeemulsionen und Haarpflegeprodukten und als hautirritations-mildernde Substanz in Reinigungspräparaten für Haut und Haar. In O/W-Emulsionen ist Glycerin sinnvoller eingesetzt als in W/O-Emulsionen, wie J. Bettinger und J. Fluhr bereits Mitte/Ende der 90er in Studien belegten.
Glycerin kann in der Wasserphase aufgelöst werden; es ist nicht hitzeempfindlich und lässt sich bei üblichen Einsatzkonzentrationen (bis 10 %) gut verarbeiten, Grenzen setzt hier eher seine haptische Klebrigkeit. Glycerin wirkt durch seine effektive Wasserbindungsfähigkeit emulsionsstabilisierend und verbessert die Konsistenz und Struktur von Hydrodispersionsgelen und Emulsionen deutlich. Eine 2- bis 5%ige Einsatz-Konzentration gewährleistet eine gute Feuchtigkeitsbindung und ausgezeichnete Verträglichkeit. Glycerin kann in Rezepturen 1:1 durch Sorbit ersetzt werden, wird in der Literatur jedoch als wirksamere hydratisierende Substanz angesehen.
Bei höherer Dosierung erzeugt Glycerin, wie bereits erwähnt, ein klebriges Gefühl (insbesondere in Verbindung mit Gelbildnern); verwenden Sie es niedriger dosiert und kombinieren Sie es mit Harnstoff, Natriumlaktat, Sorbit und anderen Hydratisierern.
Quellenangaben und weiterführende Informationen
1.M. Gloor, K. Thoma, J. Fluhr: Dermatologische Externatherapie. Berlin: Springer-Verlag, 2000
2.M. Gloor, W. Gehring: Eigenwirkungen von Emulsionen auf die Hornschichtbarriere und -hydratation. In: Der Hautarzt, April 2004, Ausgabe 54
3.M. Gloor, J. Bettinger, W. Gehring: Beeinflussung der Hornschichtqualität durch glycerinhaltige Externagrundlagen. In: Der Hautarzt, 1998, Ausgabe 1
4.Prof J. Wohlrab: Adjuvante Therapie der Atopischen Dermatitis, in: Trends in Clinical and Experimental Dermatology, hrsg. von J. Wohlrab, Aachen 2005
5.Dr. med. T. Eberlein, G. Kammerlander, Übersicht über relevante (»wirksame«) Inhaltsstoffe, 2002
6.Wolfgang Raab, Ursula Kindl: Pflegekosmetik. Ein Leitfaden. Stuttgart: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft. 4. Auflage, 2004
http://www.olionatura.de/_rohstoffe/Wer dem Beitrag keinen Glauben schenkt kann sich ja die Quellen durchlesen.