Rafunzel hat geschrieben:
Also wenn ich in meine Natronlauge Seide (oder Haare etc.) reinwerfe, dann ist die auch hydrolysiert und kann ins Haar eindringen?
Nur die dabei entstehenden kleinen Fragmente oder eben gleich einzelne Aminosäuren sind klein genug, um ins Haar einzudringen. Wenn überwiegend größere Fragmente entstehen, zum Beispiel, wenn die Hydrolyse vorzeitig abgebrochen wurde, wirken diese dagegen als Filmbildner oder sind vielleicht sogar noch als Filmbildner zu groß.
Die Hydrolyse muss also vor Abbruch entsprechend fortgeschritten sein, damit nennenswerte Mengen an kleinen Fragmenten entstehen.
Die Geschwindigkeit mit der die Hydrolyse voranschreitet ist von Zeit, Temperatur und einigen weiteren Prozessparametern abhängig.
Die verschiedenen Hydrolyseverfahren sind, auch je nach gewählten Prozessparametern, unterschiedlich effektiv und produzieren unterschiedliche Größenspektren.
Je nach Proteinmaterial sind die Hydrolyseverfahren auch unterschiedlich effizient. Die saure Hydrolyse ist zumeist effektiver und schneller, und wird generell aus verschiedenen Gründen auch sonst der alkalischen Hydrolyse vorgezogen. Es werden bei professionellen Hydrolseprozessen meist die chemische Hydrolyse und die enzymatische Hydrolyse mit verschiedenen Enzymen kombiniert, um die gewünschten, kleinen Fragmentgrößen zu erhalten.
Es ist also eine Frage wie effektiv die alkalische Hydrolyse allein bei Seidenprotein und Keratin, bzw kompletten Haaren ist und letztenendes natürlich wie lange man die Hydrolyse durchgeführt hat.
Es werden in beiden Fällen zwar auf jeden Fall kleine Fragmente und Aminosäuren anfallen, aber zum überwiegenden Teil erhält man wohl eher große Fragmente, die nicht ins Haar eindringen können, da sie dazu noch immer viel zu groß sind.
Die alkalische Hydrolyse soll bei Seide wohl nicht so effektiv sein.
Offenbar wird im Fall von Seide zu Beginn der alkalischen Hydrolyse zunächst das amorphe Serecin von den kompakten, hochkristallinen Fibroinsträngen abgelöst. Wenn die Seide dann schon in der Lauge gelöst ist, also nicht mehr sichtbar ist, liegen zu der Zeit immernoch sehr, sehr lange kompakte Fibroinfasern und Serecinknäule vor. Das hochkristalline und damit kompakte Fibroin wird bei der alkalischen Hydrolyse wohl auch nur von den Enden her und daher langsamer abgebaut, da aus sterischen Gründen nur hier ein chemischer Angriff wahrscheinlich ist.
Es ist daher anzunehmen, dass man bei der alkalischen Heimverseifung von Seide einzelne, freie Aminosäuren, ein paar kurze Häppchen vom amorphen Serecin, aber wohl größtenteils noch ziemlich große Fibroinstränge erhält.
Auch bei der Heimverseifung von kompletten Haaren bleibt fraglich, ob die Hydrolyse am Ende weit genug fortgeschritten ist, sodass man auch hier nennenswerte Mengen von kleinen Proteinfragmenten erhält oder doch eher große Fragmente. Wenn ich mir so einige Prozessparameter und die hieraus resultierenden Fragmentgrößen anschaue, denke ich eher, dass auch bei der heimischen Hydrolyse von Haaren durchschnittlich eher große Fragmente entstehen, in nur geringen Mengen kleinere Fragmente und freie Aminosäuren, so wie auch im Falle der Seide.
Leider hat man daheim ja keine Möglichkeiten die Hydrolyse genau zu steuern, zu analysieren und das Hydrolysat technisch aufzubereiten (Filtration, Fraktionierung usw) wie bei professionellen Hydrolyseverfahren, sodass man kleine Fragmente von den großen trennen kann.
Übrigens muss man sich vor Augen halten, dass die chemischen Hydrolysen prinzipiell leider auch ziemlich harsch und "schmutzig" sind, insbesondere wenn die Temperaturen höher sind. Es werden bei der chemischen Hydrolyse etliche Aminosäurereste beschädigt und umgewandelt. Es entstehen mitunter neue Quervernetzungen und Nebenprodukte, die bei professionellen Hydrolyseverfahren normalweise durch entsprechende Parameter vermieden werden, oder später wieder herausgefiltert oder neutralisiert werden.
Es kann bei hohen Temperaturen auch die sog. Maillardreaktion stattfinden, wenn bestimmte Zuckermoleküle mit im Spiel sind. Die Proteine verbinden sich dabei mit Zuckerresten und es entstehen neue Verbindungen, die zu Braunfärbung und einem eigentümlichen Geruch führen (gleiches Prinzip beim Anbraten, Backen, insbesondere Laugengebäcken). Man kann das auch sehr gut an vielen Weizenproteinhydrolysaten beobachten.