Vor längerer Zeit habe ich mal einen Artikel verfasst, ihn aber nie wirklich der Allgemeinheit zugänglich gemacht. Nachdem ich (immer noch?) keinen einschlägigen Schilddrüsen-Thread gefunden habe, poste ich das Ganze hier mal neu. So als Fundgrube und Orientierung in Sachen Schilddrüsenprobleme. Auf dass es vielen Leuten helfe.

Der Haarausfall und die Schilddrüse
Diffuser Haarausfall ist in vielen Fällen ein Symptom einer Schilddrüsenfehlfunktion. Bei dauerndem, "grundlosem" Haarausfall ist also eine Untersuchung der Schilddrüse sehr sinnvoll. Leider ist es zwar leicht gesagt, dass der Arzt "die Schilddrüsenwerte" mal überprüfen soll, aber die Interpretation der Ergebnisse läuft in Deutschland weit auseinander.
Symptome
Schilddrüsenfehlfunktionen gehen meist mit einer langen Liste diffuser Symptome einher, die weder von einem selbst noch vom Arzt ernst genommen werden. Die Beschwerden fallen fast durchgehend in die "reiß' dich doch mal zusammen" - Klasse. Selbst wenn man persönlich darunter leidet, erwähnt man sie selten. Der Haarausfall ist im LHN meist das "Leitsymptom", für den Alltag dagegen ist er die Spitze des Eisbergs - nicht zuletzt, da er meist erst 3 Monate nach der eigentlichen Ursache fassbar wird.
Die Schilddrüse ist eines der wichtigsten Organe im Körper. Ohne Schilddrüsen geborene Kinder sind kaum lebensfähig, eine nicht behandelte Schilddrüsenunterfunktion oder -überfunktion kann zu "Verblödung" und Tod führen. Jenseits dieser Extreme kann auch schon ein leichtes Entgleisen der Schilddüse mit den folgenden Symptomen einhergehen:
Haare: Haarausfall, glanzloses und/oder struppiges Haar
Schlaf: Müdigkeit, vermehrtes Schlafbedürfnis bis hin zur Schlafsucht, Schlaflosigkeit und (Ein- oder Durch-) Schlafstörungen.
Verhalten: Gedächtnisschwäche, Unbeteiligtsein (wie unter der Glasglocke leben), Depression, Gereiztheit, Aggressivität, Lustlosigkeit, sinnloses Herumhibbeln, Weinerlichkeit
Nerven: Zittern, Kälteempfindlichkeit, Hitzewallungen, Schweißausbrüche, Hitzeempfindlichkeit
Organe: Appetitlosigkeit, ewiger Hunger, Gewichtszu- oder Abnahme (auch die Unfähigkeit, zuzunehmen oder abzunehmen, egal was man anstellt), Verstopfung oder Durchfall, Herzrasen oder langsam schlagendes Herz, Menstruationsstörungen, Unfruchtbarkeit, keine Lust auf S**, Schwerhörigkeit, Muskelkrämpfe, einschlafende Arme und Beine
Haut: Trockene, raue und rissige Haut, Akne, fettige Haut, geschwollene Augenlider
Allgemein: Schwäche (kann mir mal jemand die Wasserfalsche aufmachen?), schnell eintretende Erschöpfung
Die Liste geht noch weiter - jeder, der unter einer Auswahl dieser durchaus widersprüchlichen Symptome leider, sollte seinen Hausarzt um eine Kontrolle der Schilddrüsenwerte bitten. Ich habe bewusst nicht zwischen den Symptomen einer Unterfunktion und einer Überfunktion unterschieden, da ich als Unterfunktionspatient selbst atypische Symptome aufweise.
Der Klassiker bei den Schilddrüsenerkrankungen fehlt noch: Wer einen Kropf entwickelt, sollte schreiend zum Arzt rennen. Das ist auf jeden Fall behandlungsbedürftig.
Diagnose
Um eine Fehlfunktion der Schilddrüse festzustellen, braucht ein erfahrener Arzt bei einem extrem kranken Patienten einen Blick und ein kurzes Gespräch. Alle anderen Menschen müssen sich auf die Erkenntnisse der Labormedizin verlassen.
Die idealen Ansprechpartner für die Schilddrüse sind Endokrinologen (Drüsenärzte), Nuklearmediziner und mit einigen Einschränkungen Frauen- und Hausärzte. Prinzipiell sollte man aber immer dem Arzt des Vertrauens - also einem mit Ohren zu hören - den Vorzug geben.
Für eine vollständige (Anfangs-) Beurteilung der Schilddrüse benötigt man fünf bis sieben Blutwerte. Meine Erklärungen gelten nur, solange man keine einschlägigen Medikamente nimmt. Mit Medikamenten müssen die Werte anders interpretiert werden.
Die Schilddrüsenhormone
TSH - der Spiegel des Schilddrüsen-Steuerhormons. Beim gesunden Menschen liegt der Spiegel zwischen 0,5 und 2,5. Werte unter 0,5 deuten auf eine Überfunktion der Schilddrüse hin, Werte über 2,5 auf eine Unterfunktion.
TSH wird von der Hirnanhangdrüse produziert - es ist also kein "echter" Schilddrüsenwert, sondern ein Wert, der angibt, wie die Hirnanhangdrüse über die Schilddrüse denkt.
T4 - auch Tetrajodthyronin oder Levothyroxin (L-Thyroxin). Dieser Wert gibt an, wie viel gerade nicht benötigtes Schilddrüsenhormon im Körper gespeichert ist. T4 kann nur relativ langsam umgewandelt werden.
T3 - auch Trijodthyronin. Dieser Wert gibt an, wie viel gerade nicht benötigtes Schilddrüsenhormon im Körper gespeichert ist. T3 kann schnell umgewandelt werden. Der Normwert beim gesunden Menschen liegt zwischen 1,4 und 2,8 nmol/l (Schilddrüsenselbsthilfe)
fT4 - freies T4. Dies ist der Spiegel des aktiven Schilddrüsen-Speicherhormons im Körper. Der Normwert liegt zwischen 10,0 und 23 pmol/l (Schilddrüsenselbsthilfe)
fT3 - freies T3. Dies ist der Spiegel des aktiven Schilddrüsenhormons im Körper. Der Normwert liegt zwischen 5,4 und 12,3 pmol/l (Schilddrüsenselbsthilfe)
Die Schilddrüsen-Antikörper
TPO-AK bzw. anti-TPO - Erhöht bei Morbus Basedow und Hashimoto-Thyreoditis.
Tg-AK - Erhöht bei Hashimoto-Thyreoditis und Schilddrüsenkrebs.
TRAK - Erhöht bei Morbus Basedow.
Eine Schilddrüsenuntersuchung, bei der nur der TSH-Wert überprüft wird, ist selten aussagekräftig. Für eine echte Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung müssen unbedingt auch die fT3 und fT4 - Werte bestimmt werden. Die Antikörper müssen nicht sofort gemacht werden, sind aber bei einer Fehlfunktion extrem wichtig, damit die Art der Erkrankung festgestellt werden kann.
Zum einen hat der Patient dann eine Krankheit zum Ergooglen, zum anderen kann man gegenüber anderen Ärzten einen guten Eindruck machen und - noch wichtiger - der Krankenkasse unterstützende Maßnahmen aus den Rippen leiern. Außerdem hängt die korrekte Behandlung der Schilddrüse in bestimmten Fällen von der "Krankheitskategorie" ab.
Schon ein »normaler« TSH kann eine schwere Unterfunktion vertuschen. Das führt dann zur abstrusen Situation, dass man sich halb tot (und ohne Haare

Interpretation der Laborergebnisse
Wer sich selbst ein Bild von seiner Schilddrüsengesundheit machen möchte, kann sich auch die Laborwerte mitgeben lassen. Im Internet gibt es die Schilddrüsen-Selbsthilfe, auf deren Website man die aktuellen Referenzwerte nachschlagen kann.
Für misstrauische oder interessierte Zeitgenossen habe ich aber ein paar Tipps.
TSH - unter 0,5 mU/l ist eine manifeste Überfunktion, über 2,5 mU/l eine manifeste Unterfunktion der Schilddrüse. Beides muss behandelt werden. Gleichzeitig kann man aber schon im Bereich unter 0,7 und über 2 deutliche Beschwerden haben, die behandlungswürdig (und behandelbar!) sind.
Bei fT3 und fT4 kommt es auf das Verhältnis der Werte zueinander an. Bei einem gesunden Menschen liegen beide Werte ähnlich »hoch« und halten ihre prozentuale Relation zueinander. Gehen die Werte auseinander, so kann man sich nach der folgenden Daumenformel richten:
fT4 hoch, fT3 niedrig deutet auf eine Umwandlungsschwäche von fT4 auf fT3 hin, die gesondert behandelt werden muss
fT4 niedrig, fT3 hoch ist ein Indiz für eine nicht voll ausgeprägte Schilddrüsenunterfunktion (Stichwort »subklinisch«)
fT4 niedrig, fT3 niedrig ist eine Schilddrüsenunterfunktion, entweder akut oder in einer Woche aktuell
fT4 hoch, fT3 hoch deutet auf eine Überfunktion hin.
Stimmt der Arzt mit diesen Einschätzungen nicht überein, sollte man sich genau erklären lassen, weshalb er anders denkt. Sind die Argumente nicht überzeugend und wird der Haarausfall nicht binnen ein paar Monaten besser, wechsle man den Arzt.
Ich habe Haarausfall vermute, dass die Schilddrüse daran schuld ist. Was mache ich jetzt?
Kein Weg zum Arzt darf zu weit sein ... am einfachsten ist es, den Hausarzt um eine Blutabnahme für die Werte zu bitten. Die Schilddrüsen-Werte kosten etwas unter 20 Euro pro Stück, sind also labormedizinisch im mittleren Bereich. Es kann also hilfreich sein, die Werte am Anfang des Quartals machen zu lassen.
Drei Werte sind essentiell: TSH, fT3 und fT4. T3 und T4 sind praktisch, aber für die Erstuntersuchung nicht zwingend notwendig.
Nie ohne diese drei Basiswerte abwimmeln lassen!
Und wenn es doch etwas anderes ist ... weitersuchen. Viel Glück.
P.S.: Schilddrüsenwerte immer morgens und nüchtern ermitteln lassen. Auf keinen Fall schon vorher irgendwelche Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel nehmen. Besser ist es, den ganzen Krams mit zum Arzt zu nehmen und *nach* der Blutabnahme zu futtern.
Schöne Grüße,
Thea
Herzogenaurach, Germany
Moderatoren hat geschrieben:Hinweise
Bitte denkt daran auch hier keine Beratungen bezüglich medizinischen Werten oder Medikamentendosierungen zu diskutieren!
Ein Zusammenfassung alternativer Ursachen für Haarausfall findet ihr in der HAARAUSFALL Infosammlung