*** Verschoben aus dem PP von Violetta, da es hier viel besser hinpasst. Karalena ***
Warum die Blumen?
Ich bin ja Eine die wann immer es passt, Blumen im Haar trägt und oft genug suche ich meine Garderobe nach den (Stoff)blumen aus die ich tragen möchte statt umgekehrt.
Um Astrid Lindgrens Rumpelwichte zu zitieren: "Wiesu denn blus, wiesu tut sie su?!"
Nein, es hat nichts mit alt gewordenem Hippiemädchen zu tun, obwohl ich schon lange eine gar nicht so klammheimliche Sympathie für die Blumenkinder der 60er Jahre hege.
Der Grund ist ein anderer, und schuld ist Alexandre Dumas Sohn, dessen Roman „Die Kameliendame“ ich mit 14 zum erstenmal gelesen habe und der mich beeindruckt hat wie kein zweites Buch, und wenn das nun sentimentaler Kitsch ist, dann ist das eben so.
Der Roman spielt in der 40er Jahren des 19. Jahrhunderts und erzählt die tragische Liebesgeschichte zwischen einer lungenkranken Edelprostituierten und einem jungen Mann aus gutem Hause. Ich will die Handlung hier nicht verraten, zum einen ist sie durch diverse Bearbeitungen ohnehin bekannt, zum anderen kann es ja sein, daß jemand der das Buch noch nicht kennt es lesen möchte, was ich dringend empfehle.
Wie auch immer, Marguerite, die Heldin des Romans, hat lange schwarze Haare die sie jeden Tag mit weißen Kamelienbölüten schmückt, daher ihr Beiname. Lediglich an fünf Abenden im Monat sind die Blumen rot, Alexandre Dumas behauptet in seinem Buch, den Grund dafür nicht zu kennen, wir, die wir nicht so dumm sind, ahnen ihn natürllich...
Aus dem Roman wurde ein Theaterstück und 1853 die von Giuseppe Verdi komponierte Oper „La Traviata“, deren Melodien auch viele kennen, die nie ein Opernhaus betreten haben. Hier heißt die Heldin nicht mehr Marguerite sondern Violetta.
Ah...sie hat doch nicht...? Doch sie hat. Mein Nickname bezieht sich natürlich auf diese Heldin meiner Jugend über deren Schicksal ich Rotz und Wasser geheult habe und es gelegentlich immer noch tue.
Ich würde das hier nicht so ausführlich schildern, wenn da nicht die Tatsache wäre, daß die ganze traurige Geschichte auf historischen Tatsachen beruht. Auch wenn das wirkliche Leben ein wenig anders (und noch tragischer) gespielt hat als Romane, Opern und Filme es heute tun, Die Kameliendame hat wirklich gelebt. Ihr Name war Alphonsine Plessis und ich mache mir jetzt die Freude, ihr hier ein kleines Denkmal zu setzen.
Wie bei vielen historischen Gestalten die literarische und/oder musikalische Werke inspiriert haben, sind Realität und Legende nicht immer ganz leicht auseinander zu halten.
Sicher ist, daß sie am 15. Januar 1824 als Rose Alphonsine Plessis in Nonant-le-Pin in der Normandie in großer Armut geboren wurde. Sicher ist auch, daß sie nur 23 Jahre später, am 3. Februar 1847 in Paris gestorben ist umgeben von großem Luxus, der ihr jedoch schon nicht mehr gehörte, denn jedes Stück ihres Besitzes, ihre Möbel, ihre Kleider, ihre Juwelen, bis hin zu dem Bett in dem sie gestorben ist, war bereits verpfändet um ihre immensen Schulden zu decken.
Nonant-le-Pin war damals ein kleines Dorf und ist es auch heute noch. Hier kam Rose Alphonsine als zweites Kind des Tagelöhners Marin Plessis und seiner Frau Marie zur Welt. Sie hatte eine ältere Schwester, Delphine. Angeblich war ihr Vater, der sich einen Sohn gewünscht hatte, über die Geburt einer zweiten Tochter so enttäuscht, daß er seine Frau beharrlich misshandelte,bis sie ihm endlich davon lief und nach Paris ging, wo sie eine Stellung als Dienstmädchen annahm und in relativ jungen Jahren gestorben sein soll.
Sicher ist wohl, daß sie nicht das hatte, was man eine behütete Kindheit nennen könnte. Um der Gefahr vorzubeugen jemanden zu triggern gehe ich hier nicht ins Detail, aber ja: es steht zu befürchten, daß ihr das passiert ist was ihr denkt.
Klar ist auch, daß sie von früher Jugend an darauf angewiesen war, zu arbeiten. Zunächst soll sie in einem Gasthaus, später in einer Regenschirmfabrik gearbeitet haben.
Vermutlich kam sie mit etwa 14 oder 15 Jahren nach Paris, wo sie bei Verwandten wohnen und in einem Wäschegeschäft arbeiten sollte.
Wie die meisten Grisetten fristete Alphonsine in Paris zunächst ein trauriges, ärmliches Los.
Der französische Schriftsteller Theophile Gautier erzählte nach ihrem Tod, daß er ihr etwa um 1840 auf dem Pont-Neuf begegnet sei: abgerissen, ohne einen Pfennig Geld und hungrig habe sie vor einer Bude gestanden in der Pommes Frites verkauft wurden. Gautier kaufte ihr eine Tüte, die sie begeistert verschlang.
Als er ihr etwa ein Jahr später im Foyer eines Theaters erneut begegnete, ging es ihr finanziell schon wesentlich besser. Ein bekannter Pariser Lebemann hatte ich ihrer angenommen und sie aus dem Wäscheladen (und vermutlich der Gelegenheitsprostitution)befreit.
Er war es, der für ihre Bildung sorgte. Sie lernte lesen und schreiben, nahm Klavierstunden und entwickelte einen unverwechselbaren Stil was ihre Kleidung und Sprache betraf. Er war es auch, der sie auf den Gedanken brachte, ihren Namen zu ändern: Rose Alphonsine Plessis wurde zu Marie Duplessis. und sie wurde bald die begehrteste Kurtisane von Paris. Sie soll jedoch ein so sicheres Taktgefühl besessen haben, daß niemand auf den Gedanken gekommen wäre es mit einer Kokotte zu tun zu haben. Wann immer sie einem Liebhaber den Laufpass gab (oder er ihr) legte sie die Schmuckstücke ab die er ihr geschenkt hatte, und verschenkte sie oder behielt sie als Erinnerung ohne sie je wieder zu tragen. „Niemand soll sagen können ‚Sieh an, Fräulein Duplessis trägt immer noch den Schmuck, den ich ihr geschenkt habe’ “
Im Frühjahr 1844 erkrankte sie so schwer (vermutlich an einer Lungenentzündung), daß sie glaubte, sterben zu müssen. Sie vertraute sich dem deutschen Arzt und Schriftsteller Ferdinand Koreff an. Ferdinand Koreff war offenbar eine seltsame Mischung aus Quacksalber und ernsthaftem Mediziner, und schien einer Erzählung E.T.A. Hoffmanns entsprungen zu sein, mit dem ihn im Übrigen eine persönliche Freundschaft verband. Zu seinen Patienten gehörte unter anderem Heinrich Heine. Marie überlebte diesen ersten schweren Krankheitsanfall und war davon überzeugt, dies nur ihrem Arzt zu verdanken. Zeitlebens soll sie mit rührender Dankbarkeit an ihm gehangen und ihn oft als Gast in ihrem Salon empfangen haben.
Jedoch blieb ihre Gesundheit labil, Zeitgenossen berichteten später, daß sie wohl geahnt habe, jung sterben zu müssen, schrieben ihr sprunghaftes Wesen dieser Tatsache zu: „Sie ahnte, daß sie schwindsüchtig war und früh würde sterben müssen. Daher wechselten ihre Launen schnell. Auf ausgelassenste Heiterkeit folgte tiefe Depression. Sie betete heute an was sie noch gestern verabscheut hatte und umgekehrt“.
Im Sommer des gleichen Jahres (1844) machte sie auf einer Abendgesellschaft die Bekanntschaft des gleichaltrigen Alexandre Dumas, dem Sohn des ungleich erfolgreicheren Schriftstellers gleichen Namens. Angeblich folgte die Szene die wir aus „La Traviata“ und zahllosen Spielfilmen kennen: Marie erlitt einen Schwächeanfall und zog sich zurück. Dumas folgte ihr besorgt. Die Kranke war gerührt über diese Besorgnis und die beiden wurden schnell ein Paar. Die Beziehung verlief stürmisch und unglücklich. Nach 11 Monaten trennte Alexandre sich von Marie. Sein Abschiedsbrief ist erhalten geblieben und lässt ahnen, daß Eifersucht, und Maries Weigerung, ihr Leben zu ändern der Grund für die Trennung waren. Übrigens hat er ihn später nahezu unverändert in seinen Roman übernommen. Dumas ist nach der Trennung auf eine lange Auslandsreise nach Algerien gegangen von der er erst nach Maries Tod zurückkehren sollte,
Marie war bereits ziemlich krank lebte jedoch noch bis 1847, sie lernte unter anderem den Komponisten und Klaviervirtuosen Franz Liszt kennen, der ihr Klavierunterricht gab und vermutlich für kurze Zeit ihr Liebhaber wurde. Im Januar 1846 heiratete sie in London Graf Eduard de Perregeaux, lebte jedoch nie mit ihm zusammen. Über den Grund für diese Eheschließung wird bis heute munter spekuliert und einige überaus fiktive und kitschige Romane sind dieser Frage gewidmet. Den Sommer dieses Jahres verbrachte sie auf der verzweifelten Suche nach Heilung von der Tuberkulose in diversen Kurorten. Unter anderem war sie in Baden-Baden, wo sie sich, als sie ihren hoffnungslosen Zustand erkannte, mehr dem Spiel und dem Tanz als der Kur gewidmet haben soll.
Ende 1846 wurde die Krankheit so schlimm, daß Marie Duplessis ihre Wohnung auf dem Boulevard de la Madeleine Nr. 11 , nicht mehr verlassen konnte. Da niemand mehr da war, der für ihre finanziellen Bedürfnisse aufkam wurden ihre Schulden immer drückender. Nach und nach verkaufte oder verpfändete sie alles was sie besaß um Arztrechnungen zu bezahlen und die drängendsten Gläubiger zufrieden zu stellen. Noch wenige Tage vor ihrem Tod soll sie eine Dienerin mit einem Einkaufszettel in die Stadt geschickt haben. Auf dem Zettel, der durch irgendeinen Zufall erhalten geblieben ist stand „Hustensaft, Champagner“. Ein ganzes Schicksal, zusammengefasst in zwei Worten...
Als Dumas in Afrika von der Krankheit seiner früheren Geliebten erfuhr, eilte er so schnell er konnte zurück nach Frankreich. Als er dort eintraf war Marie bereits tot.
Einige Tage vor ihrem Tod besuchte sie ein letztes Mal das Theater. Da sie vor Schwäche nicht laufen konnte wurde sie in einer Art Sänfte in die Loge getragen. Einer der Theaterbesucher erinnerte sich später: „Auf einer Sänfte trug man eine Frau herein, vielmehr den Schatten einer Frau. Wer war dieser Schatten, der dank der Blässe der schwindsüchtigen alle Aufmerksamkeit auf sich zog? Es war Marie Duplessis. Zum letzten Mal bot sie ihre weißen Kamelien den Blicken des Publikums dar. Marie Duplessis lag im sterben. Marie Duplessis war schon tot“.
Wirklich gestorben ist sie am 3. Februar 1847 gegen zwei Uhr morgens. Es war ein Mittwoch und auf den Straßen von Paris tobte der Karneval. Wie in „La Traviata“.
Marie starb nach dreitägigem Todeskampf, ein alter Diener soll bei ihr gewesen sein. In ihren letzten bewussten Augenblicken hörte sie die Schritte der Gerichtsvollzieher, die ihre Wohnung bewachten, damit kein Stück daraus beiseite gebracht würde. Man wartete nur noch auf ihren Tod um ihr Hab und Gut zu versteigern.
Keine flirrenden Geigen im Augenblick des Todes, kein weinender Geliebter der ihre Hand gehalten hätte, kein letzter Augenblick höchster Seligkeit. Das Leben ist keine italienische Oper.
Sie wurde auf dem Montmartre-Friedhof , in einem gemieteten Grab beigesetzt, dann jedoch in ein gekauftes, dauerhaftes Grab überführt, daß einige ihrer früheren Liebhaber erworben hatten. Die Szene ihrer Exhumierung hat Dumas in seinem Roman mit schauerlicher Eindringlichkeit festgehalten.
Die Versteigerung ihrer Hinterlassenschaft fand einige Wochen nach ihrem Tod statt. Jules Janin und Alexandre Dumas, der kurz nach Maries Tod in Paris eingetroffen war, haben diese Versteigerung, unabhängig voneinander, geschildert, und beiden ist der Ekel vor dieser Veranstaltung anzumerken. Alles was diese junge Frau durch ihre Prostitution erworben hatte wurde zu horrenden Summen veräußert, „anständige Frauen“, die sich geweigert hätten, auch nur ein Wort mit ihr zu wechseln stritten sich darum, ihre Kleider, ihre Schuhe, ihren Schmuck tragen zu dürfen.
Beide, Dumas und Janin, erwähnen, daß neben Maries Besitz auch ihr berühmt schönes schwarzes Haar verkauft wurde, das bis zum Boden gereicht haben soll. Man fragt sich unwillkürlich, wer das Herz hat, einer toten jungen Frau die Haare abzuschneiden um sie zu verkaufen. Und wer so etwas kauft.
Alexandre Dumas schrieb kurz nach diesem Erlebnis innerhalb weniger Wochen seinen Roman „Die Kameliendame“ in dem Marie den Namen Marguerite Gauthier erhielt. Den Mann den Marguerite so sehr liebt, daß sie ihm zuliebe auf ihr Glück verzichtet, nennt Dumas „Armand Duval“. Er führt die gleichen Initialen wie der Autor selber: A.D....
Der Roman wurde ein sensationeller Erfolg, zumal jeder der ihn las wusste, wer sich hinter dem Pseudonym Marguerite Gauthier verbarg. Marie wurde wieder populär. Ihr Bild erschien auf Tassen, Tellern, Medaillons. Wer in näherer Beziehung zu ihr gestanden hat, war eifrig darum bemüht, dies in seinen Erinnerungen festzuhalten. Da sich wohl schon hier Erinnerung und literarische Fiktion mischten, sind solche Beschreibungen vermutlich mit Vorsicht zu genießen. Interessant sind sie dennoch.
Nach dem Roman „La dame aux camelias“ entstand 1852 das Theaterstück, 1853 Giuseppe Verdis Oper „La Traviata“, die nach Anfänglichen „Startschwierigkeiten“ die vielleicht beliebteste Oper nach Bizets „Carmen“ wurde.
Die Kameliendame wurde die Rolle der ganz großen Schauspielerinnen.
Sarah Bernhardt hat sie ebenso gespielt wie die italienische Tragödin Eleonora Duse oder Greta Garbo
In einem Film über das Leben der „wahren“ Kameliendame hat die junge Isabelle Huppert die todkranke Kurtisane auf sehr berührende Weise verkörpert.
Auf der Opernbühne wurde die Traviata von unzähligen Sopranistinnen dargestellt , von Adelina Patti[ bis Anna Netrebko hat jede namhafte Sängerin der Kameliendame neues Leben eingehaucht.
Dumas selber äußerte vor seinem Tod den Wunsch, in der Nähe seiner unsterblichen Romanheldin und früheren Geliebten begraben zu werden. Sein Grab befindet sich daher auf dem Montmartre-Friedhof, nicht weit vom Grab Marie Duplessis’ entfernt.
Seinen Abschiedsbrief an Marie hat er der von ihm sehr verehrten Sarah Bernhardt nach einer besonders bewegenden Vorstellung der „Kameliendame“ geschenkt.
Mich haben der Roman, das Theaterstück, die Oper, vor allem aber das reale Schicksal einer realen Person immer sehr bewegt.
Und darum die Blumen.
Wenn ich morgens meine bunten Blüten in die Haare stecke denke ich oft an die Frau aus dem 19. Jahrhundert, die so jung sterben mußte und die doch ihre unauslöschlichen Spuren in der Literatur-, Musik- und Filmgeschichte hinterlassen hat.
Als ich 2008 zum bisher letztenmal in Paris war, habe ich die Eglise de la Madeleine besucht, eine Kirche in der Marie Duplessis oft die Messe besucht hat und eine Kerze für sie angezündet. Ihr Grab auf dem Friedhof von Montmartre habe ich bereits einige Jahre vorher zusammen mit meinem Mann besucht.
Alphonsine/Marie/Marguerite/Violetta hat heute viele Gesichter.
Dies ist ihr wahres:
Marie Duplessis, gemalt von Jean-Charles Olivier
Im Übrigen bin ich mit meiner Faszination von Marie Duplessis in stilvoller Gesellschaft: Coco Chanel hat die weiße Kamelie nicht nur zu ihrem Firmenemblem erhoben, sondern ist selten ohne eine weiße Kamelienblüte am Kostüm aus dem Haus gegangen.
Auszüge aus dem Traviata-Film von Franco Zeffirelli aus dem Jahr 1982. Es sind Ströme von Tränen geflossen....
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Die Kameliendame zum online-lesen im Gutenberg Projekt:
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Liebe Mods: Alexandre Dumas ist lange genug tot, die Urheberrrechte sind erloschen, deshalb darf das Gutenberg Projekt den Roman online stellen und ich darf es verlinken.
Dieser Beitrag sollte in meinem PP stehen, dafür war er geschrieben und nein: er passt m.E. nicht besser hierher, da er mit langen Haare fast nichts zu tun hat und lange Haare auch im Roman nur sehr am Rande vorkommen. Ich habe den Beitrag für mein PP geschrieben um zu zeigen, wie sehr ein Buch und seine Geschichte mich in so alltäglichen Dingen wie der Wahl der Frisur und des Haarschmucks beeinflusst haben und was es mit meinem Nick auf sich hat. Mag sein, daß ich da etwas ausführlicher geworden bin als hier gewünscht ist. Nun ja, dies nur zur Information falls sich jemand fragt ob sie nix Besseres zu tun hat als so ausführlich in einem Thread zu schreiben, den kaum jemand liest. Doch hat sie. In ihrem eigenen PP schreiben zum Beispiel. Das lesen zwar auch nur wenige, aber es ist immerhin Ihres. Wie auch immer, ein Internetforum ist wie das übrige Leben: man muß mit den Entscheidungen anderer nicht immer einverstanden sein, aber man darf sie kommentieren.