Da das mein erster Post hier ist (ich habe die Diskussion über google gefunden) will ich mich erst kurz vorstellen:
Ich bin kein Friseur und kein Chemiker. Ich habe aber vor vielen Jahren ein Fach studiert, dessen Lehrinhalte zu 20% aus Chemie bestehen und habe auch einige Jahre in der chemischen Industrie gearbeitet (allerdings im Anlagenbau). Jetzt mach ich beruflich was ganz anderes.
Ich bin also irgendwo zwischen "Experte" und "interessiertem Laien", mit Tendenz eher zum interessierten Laien. Ich weiß also auch nichts genaues, denke aber, dass ich mir durchaus eine Meinung bilden kann.
Auf diese Wundermittel bin ich gestoßen, weil mein Friseur mich gefragt hat, ob ich irgendetwas darüber weiß. (Wusste ich nicht.)
Also habe ich mich mal durch die Patentschrift zu Olaplex gekämpft (langweilige Lektüre) und durch amerikanische Chemieforen (spannende Lektüre).
Die beiden Chemiker, die hinter Olaplex stehen sind keine Unbekannten: Das sind zwei Typen, die seit Jahren an der Idee arbeiten, Haare nicht nur von außen repariert aussehen zu lassen, sondern die tatsächlich in die Haarstruktur eingreifen wollen und Haare damit wirklich reparieren wollen.
Die bisherigen Früchte ihrer Arbeit waren ein paar recht spezielle Shampoos und Kuren, die u.a. mit Nanopartikeln arbeiten:
http://liqwd.com/de/
Das weckt zumindest an mir ein paar Zweifel an der rührenden Geschichte, von der man immer wieder liest, dass Olaplex ein Nebenprodukt der Krebsforschung ist. Aber ein bißchen Legenbildung gehört zu einem gutem Produkt auch dazu.
Auf der deutschen Webseite von Olaplex steht ein langer Text über die Wirkungsweise. Es wird erklärt, das Olaplex in der Lage ist, die Disulfidbrücken im Haar zu reparieren.
Klingt erstmal logisch, denn dass Olaplex (und die Folgeprodukte) funktionieren, steht ja inzwischen außer Frage.
Auf der amerikanischen Webseite ist die Formulierung deutlich vorsichtiger:
"The ORIGINAL chemistry that multiplies bonds and cross-links broken bond."
Es "multipliziert" die Bindung und "verkreuzt" gebrochene Bindungen.
Das kann viel bedeuten, auch das der Wirkstoff von Olaplex gar nicht die Disulfid-Brücken repariert, sondern z.B. anstelle der Keratinfasern das Haar verstärkt. "Multiplies bonds" macht mich da etwas misstrauisch, denn das bedeutet ja, das Olaplex neue Bindungen erschafft und nicht nur die aufgebrochenen wieder schließt.
Dazu sollte man auch bedenken, dass der Olaplex-Vertrieb in Deutschland über eine Agentur läuft und nicht über ein Chemie- oder Kosmetikunternehmen. Die sind vielleicht auch etwas kreativer in ihren Formulierungen.
Solange die nicht erklären, wie sie die Reparatur der Disulfidulfid-Brücken nachgewiesen haben, glaube ich erstmal gar nichts. Das dürfte nämlich gar nicht so einfach sein.
Die "Konkurrenz" ist da auch deutlich zurückhaltender.
Letztendlich ist das aber egal ob "Brücken repariert werden" oder "neue Verbindungen erzeugt werden". Das Zeug funktioniert und zwar erstaunlich gut.
Was mir persönlich Sorgen bereitet, ist etwas ganz anderes.
Es ist unmöglich genaueres über den Wirkstoff von Olaplex zu erfahren. Wenn man nach "Bis-aminopropyl Diglycol Dimaleat" sucht, findet man ausschließlich Olaplex und einige Diskussionen in englischer Sprache darüber, was das für ein Stoff sein könnte, wie er aussehen mag und was er bewirkt. Man findet auch keinen Hersteller (im Gegensatz zu Keravis, hinter dem ein bekanntes Chemieunternehmen steckt).
"Bis-aminopropyl Diglycol Dimaleat" ist also ganz offensichtlich eine neuartige (und patentgeschützte) Substanz. Niemand weiß etwas darüber, außer das es beim Blondieren die Haare schützt.
Ich denke, jetzt wird es vor allem für Friseure interessant:
Was passiert eigentlich, wenn ich diese Substanz über Jahre jeden Tag mehrfach benutze? Dringt er in die Haut ein? Wird er vom Organismus aufgenommen? Reichert er sich an oder wird er abgebaut und was sind dann die Abbauprodukte? Gibt es eine Wirkung auf Föten? Viele Friseure sind Frauen und die werden nunmal auch schwanger. Oder was ist mit Spermien?
Contergan war auch mal ein hochgelobtes, weil gut verträgliches, Schlafmittel. Besonders empfohlen für Frauen.
Die Haarkosmetik-Branche hat schon so manche Flops erlebt: Dixan im Shampoo (heftige Allergien), Formaldehyd und Formaldehyd-Abspalter in Shampoo, Kuren und Spezialprodukten (Vergiftungen und Krebs).
Es ist noch gar nicht so lange her, dass einige deutsche Friseursalons Besuch vom Gesundheitsamt hatten, weil sie (unwissentlich) Haarglättungen mit Formaldehyd angeboten haben.
Nachdem Formaldehyd in Kosmetik verboten wurde, haben sich unseriöse Produzenten dadurch "gerettet", dass sie Produkte verkauft haben, die erst bei der Anwendung Formaldehyd abspalten und somit durch alle Produkttests gerutscht sind.
Für die Kunden dürfte das kein großes Problem gewesen sein. Für die Friseure, die den ganzen Tag in den Dämpfen standen schon eher.
Ich sage jetzt nicht, das "Bis-aminopropyl Diglycol Dimaleat" gefährlich ist, aber es ist ein neuer Stoff, der unmöglich auf Langzeitschäden getestet worden sein kann. Er kann harmlos sein (oder sogar z.B. vor Krebs schützen) aber man weiß es nicht. Es gibt absolut nichts darüber.
Und Kosmetika werden nicht mehr im Tierversuch getestet, nur der Produzent der Reinsubstanz macht noch Tests und ich bin sicher, das da keine Langzeitstests dabei sind. Wer wartet schon 20 Jahre, wenn er ein solches Knaller-Produkt hat? Zumal der Hersteller es ja nicht erfunden hat, sondern es - denke ich mal - nur im Auftrag produziert.
Und die Konkurrenzprodukte?
Die Konkurrenz setzt auf Weizen-Peptide und Silikone, um den gleichen Effekt zu erzielen (In einem US-Forum las ich den Verdacht, das "Bis-aminopropyl Diglycol Dimaleat" zwar kein Silikon ist, aber den Aufbau eines Silikones nachahmen könnte, was dann auch die Funktionsweise der Konkurrenzprodukte erklären würde).
Weizen-Peptide sind gesundheitlich unbedenklich und Silikone seit vielen Jahren auf dem Markt und - im Gegensatz zu dem, was in Beauty-Foren behauptet wird - biologisch völlig passiv und ebenfalls gesundheitlich unbedenklich.
Sie wandern auch nicht durch die Haut in den Organismus, ganz im Gegenteil: Arbeitsschutzcreme enthält Silikon, weil es eine zusätzliche Barriere auf der Haut aufbaut. Silikone sind auch oft (in Form von Polydimethylsiloxan) in Medikamenten oder als Gleitmittel auf Kondomen im Einsatz - eben weil sie unschädlich sind, auch und gerade für Schleimhäute.
Wir haben jetzt also zwei Produktfamilien, einmal bestehend aus einem völlig unbekannten, ungetesteten und neuem Wirkstoff und einmal bestehend aus bekannten, ausgetesteten und "alten" Wirkstoffen.
Ganz unabhängig davon, welche Produktfamilie besser wirkt: Wäre ich Friseur, würde ich Olaplex nicht benutzen. Ich würde auf die Nachbauten setzen. Da weiß man wenigstens, was drin ist.
Ich will jetzt keine Panik verbreiten. Aber nach all dem, was in der Vergangenheit mit Kosmetikprodukten so alles passiert ist, wundert es mich - als Außenstehender - doch sehr, dass überall ein neuer Wirkstoff gefeiert wird, aber sich niemand die Frage stellt, ob der noch ganz andere (unerwünschte) Wirkungen hat.
Diese Kritiklosigkeit finde ich irritierend.
nywele hat geschrieben:
[...] spezieller Wirkstoff eigentlich nur das Hydrolyzed Vegetable Protein PG-Propyl Silanetriol in Frage - aber das steckt ja auch in diversen anderen Produkten, die deutlich günstiger sind als Keraphlex und bei mir bisher auch keine besonders positive Wirkung gezeigt haben. [...], frage ich mich, warum andere Drogerieprodukte das nicht entsprechend bewerben....
Das Geheimnis kann ich lüften, da ich an das Datenblatt des Herstellers gekommen bin

Das Zeug ist unverschämt teuer und muss laut Datenblatt hoch dosiert werden (sieht man ja auch am Olaplex, der Step 1 ist
trüb braun, also vermutlich auch extrem hoch dosiert und manche andere Produkte sind glasklar). Das Keravis selbst ist auch eine
trübe braune Flüssigkeit.
Ich denke, es liegt damit auf der Hand, warum manche Produkte besser funktionieren und andere schlechter
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Sorry für den Doppelpost. Ich bin eher die Baumansicht gewohnt und da muss man einzeln antworten. Sonst gibt es Chaos.