Triggerwarnung: Chemie!
@Überfettung
Fette sind Triglyceride: quasi ein Glycerin-Molekül, an dem drei Fettsäuren gebunden sind.
Beim Verseifen mit Natronlauge trennt die Lauge quasi die Fettsäuren vom Glycerin.
Wenn man mit 0 % "Überfettung" siedet, gibt man genau so viel Lauge dazu, dass alle Bindungen von Fettsäure an Glycerin aufgetrennt werden.
Wenn man eine höhere "Überfettung" wählt, ist nicht genug Lauge vorhanden, um alle Bindungen kaputt zu machen, und einige Fettsäuren bleiben an Glycerin gebunden.
Damit tatsächlich ein Fett-Molekül überbleibt, müssen allerdings alle
drei Bindungen eines Tryglycerids erhalten bleiben. So funktioniert die Chemie aber nicht, die Lauge nimmt sich
nicht ein Triglycerid nach dem anderen vor und trennt erst bei Fett-Molekül 1 alle drei Bindungen, dann bei Molekül 2 usw.
Stattdessen werden von vielen Tryglyceriden alle drei Fettsäure abgetrennt (d. h. es entstehen ein Glycerin-Molekül und drei Seifenmoleküle) und von den restlichen Trigylceriden werden ein oder zwei Fettsäuren abgetrennt. Was übrig bleibt, sind Glycerin-Moleküle, an denen immer noch ein oder zwei Fettsäuren dranhängen = Mono- und Diglyceride.
Sprich: Es ist nicht unmöglich, aber eher unwahrscheinlich, dass tatsächlich ganze Fett-Moleküle erhalten bleiben. Die Vorstellung, dass 10 % "überfettete" Seife 10 % Fett enthält, ist daher Quark. Vielleicht sind es 0,5 % oder so, wenn's hoch kommt, keine Ahnung, dafür müsste man ein Wahrscheinlichkeitsmodell aufstellen ...
Die Mono- und Diglyceride in der Seife sind Emulgatoren (wer im Supermarkt Zutatenlisten liest, kennt sie, die werden auch als Lebensmittelzusatzstoffe verwendet, sucht nach: "Emulgator Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren").
Dass hoch "überfettete", kaltgesiedete Seife milder reinigt als weniger hoch "überfettete", liegt also nicht daran, dass da "rückfettendes" Öl drin wär, sondern daran, dass von den "scharfen", stark reinigenden Seifenmolekülen weniger drin ist. Die Seife ist quasi "verdünnt" durch die Emulgatoren.
@PlüschPiratin: Soweit ich weiß, ist LU=Laugenunterschuss der korrekte Begriff. UL=Unterlauge ist was anderes, das gibt's beim Aussalzen von Seifenresten (Herstellung von Kernseife). Scheinen auch im Seifenforum einige noch durcheinanderzubringen
Zugabe von einem "Überfettungs"öl in den Seifenleim bringt auch nichts. Das geschieht ja wenige Minuten, nachdem man das Zeug emulgiert hat. Da hat die Verseifungsreaktion gerade erst angefangen und es ist noch jede Menge freier Lauge im Seifenleim, das nachträglich zugegebene Öl wird also noch genauso mitverseift. Die Verseifung ist erst nach einigen Stunden abgeschlossen. Jeder, der mal Küsschentest an einer frischen Seife gemacht hat, kann das bestätigen. Ich hab mal meine Zunge an ca. 20 Stunden alte selbstgesiedete Seife gehalten und sag euch, den Fehler mach ich nie wieder! Ich hatte zwei Tage lang eine verätzte Zungenspitze! Da war also noch reichlich Lauge da, die Verseifung war auch nach knapp einem Tag noch nicht zu Ende. (2-3 Tage später hab ich dasselbe Seifenstück dann nochmal getestet, und
dann erst war's nicht mehr ätzend.)
Echte Überfettung gibt es nur ein heißgesiedeter Seife, weil man da so lange erhitzt, bis die Verseifungsreaktion tatsächlich abgeschlossen ist (die Reaktion geht einfach schneller, wenn's wärmer ist), und erst danach das Überfettungsöl zur Seife gibt. Jeder Seifensieder, der euch eine Seife verkauft, auf der sowohl "kaltgesiedet" als auch "überfettet mit Öl X" steht, hat im Chemieunterricht nicht aufgepasst
@Zitronensäure in Seife
Ob die Zitronensäure ein Pulver ist oder nicht, ist egal. Tatsächlich löst man die Zitronensäure für's Seifesieden ja als allerestes mal in Wasser

Dann gibt man die Lauge zur Zitronensäurelösung und dann reagieren Lauge und Zitronensäure zu Natriumcitrat. Natriumcitrat wirkt wasserenthärtend.
Wenn man Lauge und Öle dann zusammengibt, ist also schon keine Zitronensäure mehr da, die irgendwas kaputt machen kann. Und insbesondere ist in der fertigen Seife auch
keine Zitronensäure mehr vorhanden, sondern nur das Citrat.
Man kann übrigens auch mit Essig Seife sieden, genauso wie man mit Zitronensäure siedet: man gibt dann das NaOH in den Essig und die Essigsäure reagiert mit der Lauge zu Natriumacetat. Natriumacetat ist allerdings kein Wasserenthärter, soweit ich weiß. Tatsächlich hat Acetat in Seife keine mir bekannte, nützliche Wirkung. Ich hab schon Haarseife mit "Essig" (in "", da ja in der fertigen Seife kein Essig mehr drin ist!) gesehen, das scheint allerdings mehr ein Werbegag zu sein als irgendwas anderes.
Korrekturen, wenn ich irgendwo groben Unfug geschrieben hab, willkommen ... jedenfalls, soweit hab ich mir das in dem halben Jahr, in dem ich Seife siede, zusammengereimt. Ich finde es nämlich durchaus interessant und wichtig zu verstehen, was da in meinem Rührtopf passiert
