Hallo, Albis!
(Vielleicht sollte ich vorausschicken, daß sich keiner beim Lesen auf den Schlips - oder die Haare - getreten fühlen soll, teils sind es Gedankenschnipsel, die mir dazu einfallen, aber nicht so teile!)
Zu dem von Dir beschriebenen Einheitsbild schrieb der Tagesspiegel, immerhin schon vor sechs Jahren, einen passenden Artikel, mitten aus dem Alltag eines Friseursalons, in dem alle jungen Frauen gegen jeden Trend anscheinend nur eines wollen: Lange Haare, weil Frauen ohne lange Haare keine richtigen Frauen sind, von den Männern weniger beachtet werden und ihr Prinzessinentraum weniger gut funktioniert - Emanzipation geknickt....
https://www.tagesspiegel.de/politik/die ... 21838.html
Daß die moderne Frau leider nicht so modern sei, wie sie glaube und eigentlich auch könnte, sondern immer noch den Prinzessinnentraum träume und unter anderem deshalb nicht vorankomme. bemäkelte schon vor Jahren Gertrud Höhler (irgendwo im TV gesehen, vielleicht war's im "Nachtstudio") - so konservativ sie sein mag. Sie sprach auch noch von einer Glasdecke, durch die die Männer die Frauen eh nie bis ganz nach oben durchließen, aber leider hapere es bereits bei der Motivation zum Springen.... (sinngemäß)
Schaut man mal so durch, wie Psychologen und Konsorten lange Haare einordnen,jenseits von Selbstverständnis, Gefühl von Gruppenzugehörigkeit usw., springt einem das Phallussymbol ins Auge....
Das Abschneiden der langen Haare, mit gleichzeitigem Aufkommen von Hosen für Frauen, nachdem das Korsett erst gelockert, dann gefallen war, die Säume nach oben wanderten, bedeutete für die Frau einen Ausbruch aus der traditionellen Rolle als Heimchen am Herd, das Kinder bekam und versorgte und ansonsten die Klappe zu halten hatte, mit Glück als reiche Witwe nicht nur eine Apanage bekam, sondern vielleicht sogar ein Haus oder ein Stück Land ihr Eigentum nennen durfte (hing vom Entwicklungsstand des Erbrechts in den einzelnen Ländern ab). Dieser Wandel fiel wahrscheinlich nicht zufällig in die Zeit um den 1. Weltkrieg, und nicht von ungefähr wurde zu dieser Zeit das Frauenwahlrecht eingeführt. Sehr schön kann man diese Veränderung in der Mode z.B. in einer Doku über Coco Chanel sehen, die Arte gerade in der Mediathek hat:
https://www.arte.tv/de/videos/081552-00 ... r-eleganz/
Ein recht prominentes Beispiel zum Thema lange Haare/ kurze Haare/ Haareabschneiden fiele mir mit Judith Rakers ein, die sich für die "tagesschau" eigentlich die Haare hätte kürzen sollen, weil das seriöser wirke, man hat sie dann aber auch mit langen genommen...
Noch zwei interessante Parameter, die über die Jahrzehnte hinweg unverändert geblieben sind: Den Ausgang der US-Wahlen kann man an der aktuell bevorzugten Rocklänge ablesen (je kürzer, desto mehr Stimmen für die Demokraten), und je schlechter die Konjunktur, desto höher die Ausgaben für Lippenstifte. Weil Frau dann irgendwie sehen muß, wo sie bleibt? Vermutlich unweigerlich....
Ich persönlich könnte für mich selbst nicht beurteilen, wie frei oder unfrei ich in der Wahl meines Stils bin, wahrscheinlich fehlt dazu die nötige Distanz, und spätestens, wenn man sich mit Archetypen oder Semiotik befaßt, löst sich das Gegenständliche sowieso in Symbolen auf.
Grundsätzlich vertrat und vertrete ich die Ansicht: Jeder, wie er mag!
Und mal wieder Fehlerchen ausgemerzt...