Dann hast du halt mit Frau Sowieso gesprochen, die vielleicht einen französischen oder holländischen Zopfkranz flechten konnte, vielleicht sogar mehrsträngig und mit Band, und dafür bekam Frau Sowieso dann ein paar Mark oder häufiger: frisch gebackenes, ein Stück Schinken, gestrickte Handschuhe...
YouTube und Co gabs damals auch noch nicht, weswegen sich das Frisurenrepertoire in meiner Sippe lange auf Hängezopf, Cinnamon bun, Flechtdutt, Luana braids alias Kinderfolterzöpfe und Gretchenzöpfe beschränkte - und meistens wurde noch ein Kopftuch drumgepackt; und zwar nicht so schön und aufwendig gebunden und drapiert, wie man das bei jungen Muslimas sehen kann (wo ich mir oft denke, das sieht sehr viel raffinierter, schicker, modischer und ja, auch erotischer aus als der 0815 schlampige ungewaschene Pferdeschwanz oder Knüddeldutt, den die meisten Frauen tragen), sondern bäurisch, unterm Kinn zusammengebunden, damit die Haare bei der Arbeit nicht in die Quere kamen und schmutzig(er) wurden und der Kopf vor Kälte oder Sonne geschützt war.
So schrecklich lange her ist das noch nicht (meine Mutter ist noch in Klompen zur Schule gegangen), und vielleicht ein Anhaltspunkt, warum insbesondere nicht ganz taufrische Damen aus ländlicheren Gefilden Dutts, Zöpfe und lange Haare allgemein trutschig finden: weil sie es oft auch waren.
Es hat da wenig Sinn, sich selbst was von Neid oder ähnlichem in die Tasche zu lügen: diese Frauen finden lange Haare, insbesondere geduttet und/oder geflochten, ernsthaft und aufrichtig altbacken, weil das exakt die Frisuren sind, mit denen ihre eigene Oma oder Uroma den Hühnerstall gemistet und die Ziegen versorgt hat.
Und das ist okay, deswegen muss man ihnen dann nicht ihren flotten Bob oder zuppeligen Kurzhaarschnitt in Rot oder Aubergine als superhässlich, totgefärbt und generell urks vorhalten, wie das im Kommentarthread immer gern gemacht wird (selber rumweinen, weil einem nicht die ganze Welt zujubelt ob der affengeilen langen Haare, aber dann giftigst über andererleuts Haarschnitte und -farben lästern... das lieb ich ja wie Brechdurchfall

Meine sehr chice und modische Patentante, die Schwester meiner Mutter, hat zum Beispiel beim Stichwort Dutt immer noch ihre Oma väterlicherseits vorm inneren Auge; ein dicker stahlgrauer Flechtdutt (hielt am besten, die hatte die gleichen Borsten wie ich, nur in dunkel), darüber Kopftuch, weiter unten eine robuste, verwaschene Schürze, noch weiter unten grobe Socken und Klompen (die wurden auch in weiten Teilen des Niederrheins getragen)... und so sehr sie alle die Oma geliebt haben - erstrebenswert war dieser Look für eine junge Frau nicht.
So, ich haue mir jetzt mal schwarze Farbe auf den Kopf.