Nun denn!
Als erstes möchte ich hier direkt meine Quellen zur Verwendung von eingeäscherten Bienen festhalten.
Bislang konnte ich drei historische Quellen ausmachen, die verbrannte Bienen für die Haarpflege empfehlen. In einer wird davon gesprochen die Haare „weiß zu machen“, damit ist wohl gemeint sie aufzuhellen, wären die anderen Rezepte schnelleren Haarwuchs versprechen.
Zuerst die älteste Quelle:
Ich besitze eine englischsprachige Ausgabe der „Trotula“, die von Monica H. Green editiert und übersetzt wurde und im Jahr 2002 erschienen ist
Die Trotula an sich ist ein Sammelwerk und umfasst in ihrer heutigen Version drei Werke, bei denen die Autoren vom ersten sowie vom dritten Fall unbekannt sind. Man liest häufig, dass es Autorinnen gewesen sein sollen, da die meisten Rezepte frauenheilkundlicher Natur sind, jedoch fehlen im Endeffekt gesicherte Beweise. Die ältesten Überlieferungen stammen aus dem 12. Jahrhundert und die neueren aus dem 15. Jahrhundert. Die drei Werke wurden schon vor 1500 zusammengeführt. Zumindest der zweite der drei Texten “De Passionibus mulierum curandorum“ bzw. Die „Trotula major“ soll auf die „Trota“ bzw. „Trocta“ zurück gehen, die im frühen 12. Jahrhundert in Salerno studierte, praktizierte und lehrte. Bis ins 16. Jahrhundert galt der zweite der drei Bänden als Standardwerk der europäischen Medizin.
Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass die Rezepte im Laufe der Zeit beim kopieren abgeändert und ergänzt wurden.
Es finden sich allerdings nicht nur frauenheilkundliche, sondern auch kosmetische Rezepte in diesen Werken.
Zur Trotula habe ich schon mal einen eigenen Thread gestartet, den ich eingangs schon verlinkt habe.
Im Kapitel „
On Various Kinds of Adornment“ findet sich auf Seite 116 folgendes Rezept:
[260] For whitening the hair. Catch as many bees as possible in a new pot and set it to burn, and grind with oil, and then anoint the head.
Das Rezept musste ich natürlich ausprobieren. Die Versuchsreihe findet ihr ebenso im dazugehörigen Thread:
http://www.langhaarnetzwerk.de/phpBB3/v ... =3&t=32566
Ich werde den Ausschnitt allerdings hier reinkopieren um den Lesefluss nicht zu stören.
Zu meiner damaligen Erfahrung:
Eine bekannte Imkerin hat mir ein halbes Marmeladeglas mit toten Bienen gegeben. (Pro Stock fallen hunderte von toten Bienen pro Tag an, es wurden also keine Tiere extra für das Experiment getötet ) Das Experiment habe ich öfter mit ein paar Abwandlungen ausprobiert, da ich unbedingt wollte, dass es hinhaut. Beim ersten Versuch habe ich die Bienen über Nacht in Wasser einweichen lassen, da ich dachte, sollte ein chemischer Prozess durch irgendwelche inzwischen eingetrockneten Säfte in den Körpern stattfindet, wäre es wohl am besten, diese durch Feuchtigkeit wieder zu „aktivieren“
Die eingeweichten Bienen wurden dann wieder mit Schweineschmalz vermengt und solange über dem Feuer stehen gelassen, bis diese verbrannt sind. (Set it to burn) Diese wurden dann im Steinmörser zerdrückt und auf die Haare aufgetragen. Ich habe die Mischung in der Sonne stehen lassen, da ja angeblich Wärme bei der Haaraufhellung immer ein Vorteil ist.
Da ich ja mehrere Versuche mit den Bienen durchgeführt habe, habe ich immer nur etwa einen Esslöffel voll verwendet.
Ich habe das Experiment dann wiederholt, ohne die Bienen vorher einzuweichen und statt sie zu vollständig zu verbrennen, habe ich sie nur angebraten:
Leider ist hierbei absolut nichts passiert. Das große Problem bei alten Rezepten ist ja, dass sie ohne Mengenangaben, Kochdauern und oft auch ohne Beschreibung der Vorgehensweise auskommen. Daraus lässt sich schließen, dass Rezepte oft mündlich weitergegeben wurden und Vorgänge, die offensichtlich und naheliegend waren, nicht niedergeschrieben wurden und daher für uns heute nicht mehr nachvollziehbar sind.
Erschwerend kommt hierbei noch hinzu, dass im Laufe der Zeit Übersetzungsfehler passiert sein können, eine Art „stiller Post“ Effekt sein übriges dazu getan hat da jemand das Rezept vom Hörsagen her kannte und es niedergeschrieben hat, ohne es jemals ausprobiert zu haben. Dabei können auch wichtige Informationen zu den Zutaten verloren gegangen sein.
Quelle Nummer zwei:
Die zweite Quelle, die sich mit Bienen beschäftigt, findet sich im Begleitband zur Ausstellung „Dreck“, die 2013 im Tiroler Volkskunstmuseum stattgefunden hat. (Quelle: „Dreck im Tiroler Volkskunstmuseum“, Hrgb. Direktor PD Dr. Wolfgang Meighörner, Innsbruck 2013.)
Im Kapitel „Lauskamm, Essigwasser und Brennesselwurz“ von Barbara Stocker findet sich auf S. 125 folgendes Zitat: „Empfehlungen gegen Haarausfall sind schon im Mittelalter bekannt. Susanna von Tobar, die Hofmeisterin am Hof in Innsbruck, empfahl Zwiebelsaft mit Honigschaum und Bienenasche gegen den Haarausfall.“ (Diese Stelle wird nach Gerhard Dörler, „Alte Tiroler Naturapotheke“, Innsbruck 1986, S. 83. zitiert.)
Allerdings wird im nächsten Satz angemerkt, dass dieses Rezept wohl nicht wirkungsvoll ist, da bis zur Erfindung der Haartransplantation Glatzen erfolglos bekämpft wurden. Tja

Ich würde gerne mehr von der Hofmeisterin Susanna Tobar lesen, habe jedoch noch keine Zeit gehabt mehr zur ihrem Werk zu recherchieren. Ihr Buch zu Hausarzneien ist 1565 erschienen.
Quelle Nummer drei:
Die dritte Quelle hat mein Deckel gefunden, der mir bei meiner Recherche Arbeit hilft!
Und zwar handelt es sich hier um die „Unterricht von der Magia Naturali und derselben medicinischen Gebrauch auf magische Weise wie auch bezauberte Dinge zu curieren“ von Johann Nicolaus Martius, med. doc. Und Practici zu Braunschweig, 1719. (Das Buch an sich ist schon mehr als kurios und wahrscheinlich nichts für schwache Nerven.)
Hier findet sich auf Seite 161-162 das Rezept Nummer 48 mit dem Namen „
Das Haar geschwind wachsend zu machen“
„Hierzu nimmt man Bienen zu Asche verbrannt, Leinsamen gleichfalls verbrannt, diese werden dann klein gerieben, und frisches Öl darzu gethan, womit man die kahlen Orte morgens und abends bestreichen muß; Vorher aber muß man den Ort mit dieser Lauge die Woche 2. mal waschen: Man nimmt nemlich gemeine Lauge, und thut darein Steinraute, Agrimonien, Baummoos, jedes fünff Hände voll, lasset es hernach zusammen sieden“
Auf S. 273 wir ebenso wieder Bienenasche empfohlen:
„Wer haben will, dass das Haupt- oder Barthaar geschwindt wachsen soll, der brenne Bienen zu Pulver, thue dazu Asche von Haselnuss, Castanien, Datteln und Bohnenschalen, vermische es mit Rosenöl und bestreiche sich etliche Male damit, so wird es geschehen“
Ich habe beschlossen die Experimente auf der Suche nach dem haarigen Stein der Weisen weiterzuführen
Der Vater von meinem Deckel ist Imker, von dem haben wir tote Bienen zur Verfügung gestellt bekommen. Als mein Freund also zuletzt daheim zu Besuch war, hat er im Garten über dem Feuer Bienen für mich verbrannt. Er meinte, dass der aufsteigende Qualm eigenartig bläulich war und komisch gerochen hat und dass es sich tatsächlich nach Hexenwerk angefühlt hat
Hier noch zur Einstimmung ästhetische Aufnahmen, die sich perfekt für ein „witchcraft moodboard“ eignen würden
Ein großes Glas mit verbrannten Bienen steht nun bei uns und ich überlege, welches von den oben genannten Rezepten ich ausprobieren will. Das mit den Leinsamen ist am unkompliziertesten. Nur bin ich wegen der Lauge unsicher. Wir haben sogar noch Lauge aus Hartholz Asche von unseren Schmierseifen Experimenten da, getrocknete Agrimonnie befindet sich ebenso noch in meinem Repertoire (da man angeblich in Kombination mit Ziegenmilch Haare ebenso blondieren kann. Hat aber auch nich funktioniert) und Baummoos ist nicht schwer zu bekommen. Scheinbar handelt es sich hierbei um die blassgrünen Flechten und gar nicht um eine echte Moossorte (die Info ist von Wikipedia), allerdings ist die Blütezeit der Steinraute, daher der „bitteren Schargarbe“ von Juli bis September und getrocknet finde ich im online Handel nur die gewöhnliche Schafgarbe …? Glücklicherweise finden sich für das Waschmittel Mengenangaben, jedoch wird leider nicht erklärt wie viele Bienen oder wie viele Leinsamen hierfür benötigt werden.
Mein Deckel hat sich als Versuchskaninchen bereit erklärt. Ich darf ihm auf beiden Beinen eine Stelle frei rasieren und dann dort täglich das Öl auftragen. So lässt sich der Überblick einfach behalten

Allerdings bin ich nicht sicher, ob ich die Lauge tatsächlich verwenden soll, wenn eine der Zutaten fehlt.
Was meint ihr?
Zusammenfassend finde ich beim Bienenasche Thema sehr spannend, dass sich diese Zutat über Jahrhunderte hartknäckig hält. Während die Trotula die Bienenasche schon vor 1500 im italienischen Raum beschreibt, schreibt Susanna von Tobar 1565 in Innsbruck in ihrem Buch zu Hausarzneien ebenso von dieser Zutat. Außerdem findet sie man sie auch noch im Jahr 1719 in einem „magischen Medizinbuch“, dessen Rezepte heute wohl eher in den Bereich des Aberglaubens und der Alchemie zu verorten sind.
Irgendetwas in mir möchte also glauben, dass da was dran ist

Vielleicht gibt es noch mehr Literaturstellen dazu, aber bislang habe ich noch keine ausfindig machen können!

Wenn ihr noch etwas dazu findet, freue ich mich über jeden Hinweis!
Bis dann und alles Liebe!
*auf Besenstiel davonzisch*
Edit: kleine Korrektur