Es wächst schon wieder wie Unkraut und steht jetzt als seltsamer Heiligenschein vom Kopf ab
Plus: Friseurbesuche sind sauteuer (obwohl der Mensch, der euch die Haare hoffentlich verschönert, erbärmlich schlecht verdient), dauern lange, es fummelt euch jemand gefühlt tagelang am Kopf rum und man muss sich über seine eigenen Wünsche in Bezug auf die eigene Erscheinung auseinandersetzen - muss man zwar jeden morgen auch (in der Theorie, einige Dutts gehen bei mir auf Autopilot), aber ein schief an den Kopf gedübelter LWB mit abstehenden Haaren und farblich nicht passendem Stab ist in wenigen Sekunden behoben, ein richtiger frisürlicher Griff ins Klo (Gretchenzöpfe in meinem Fall) belustigt die Kollegen nur heute und nicht die nächsten x Monate, bis die kurzzeitige Geschmacksentgleisung nachgewachsen ist.
"Aber Piercing stört dich nicht? Nur beim Haareschneiden jammerst du rum?" - ja, Piercing zwiebelt zwar ganz ordentlich und schmerzt auch gern noch länger, wenn man eine Vorliebe für schicke Knorpelpiercings hat, ABER! es geht viel schneller, und ein weiterer Ring im Ohr fällt den meisten Menschen, die mich kennen, eh nicht sofort auf, ein richtiger Haarschnitt, den ich mir nicht selbst überm Klo verpasst habe, schon.
Piercing: vier Seiten Formular ausfüllen (zusamengefasst steht darin etwa:
ich bin schon groß und weiß, dass Piercing ganz doll aua machen kann), dann Desinfektion, Platzierung abgesprochen, "Autsch" und fertig.
Dagegen Friseur: erst tagelang in Zeitschriften blättern oder "Damenfrisuren kurz" googeln, das Bild dann ausreißen oder ausdrucken, beim Friseur wird trotz Termin noch ungefähr die nächsten anderthalb Stunden an Oma Mayers Kopf rumgeföhnt, also trinkt man - bei besseren Friseuren - noch ein bis fünfzehn Kaffee und blättert in der Bunten, eine Zeitschrift, die ausschließlich fürs genervte Blättern beim Friseur gedruckt wird. Oder kennt ihr jemanden, der sie sonst freiwillig liest?
Oma Mayer ist immer noch nicht fertig, aber der Lehrling könnte euch ja schon mal die Haare waschen... wie, das wollt ihr gar nicht?! Nich Waschen? Aber Sprühkur und Föhnen doch, oder? NEIN?!?!?! SICHER?!?!?! Nur Schneiden?
Oma ist jetzt mit frischgeföhntem und sprayverstärktem Haarhelm an der Kasse, um sagenhafte 0,50 € Trinkgeld zu geben (auf eine Rechnung von 129,50 €, Oma hat ne gute Rente) und ihr bekommt jetzt euer Beratungsgespräch, ob ihr wollt oder nicht.
Gehen wir mal davon aus, ihr habt ein realistisches Bild eines des euren halbwegs ähnlichen Haartyps und ähnlicher Haarmenge und nicht eines von irgendeinem Starlet ohne Talent, aber mit beindruckender Haarteilsammlung, lies: etwas mit Kamm, Schere, Föhn und Talent reproduzierbares, dann geht es jetzt an dieser Stelle weiter; habt ihr euch vertüddelt, weil modische Kurzhaarfrisuren bislang nicht so weit vorne auf eurer Prioritätenliste standen und ihr habt euch nur irgendeine hübsche Frisur ausgesucht, erklärt euch die Friseurin dann jetzt wahrscheinlich, dass Popsternchen XY oder Influencerin YX auf dem Bild eine Perücke trägt, so ein supersleeker, exakter Bob mit eurer Naturkrause aber eh schwierig zu machen ist

...vielleicht noch mal im Frisurenbuch blättern? Und noch einen Cappucchino?
Schließlich hat man eine Frisur gefunden, die im Buch halbwegs gut aussieht und zum eigenen Gesicht passt, vielleicht noch kleine Modifikationen (Scheitel bitte beibehalten, Pony kürzer und fransig, den komischen Wirbel vorne links irgendwie integrieren, sowas halt).
Mit Glück habt ihr eine nette Friseurin, mit der man gern ein wenig plaudert, mit Pech jemanden, der Smalltalk hält, obwohl ihr beide da keine Lust zu habt.
An dieser Stelle wichtig: ein guter Friseur wühlt und wuschelt vorher in euren Haaren, um Wuchs, Wirbel, kahle Stellen, etc zu finden und damit zu arbeiten.
Wird nach dem Schnitt extrem rumgewuschelt, dann hat sich der Friseur nicht selten ein wenig verschnitten
Statt der doch halbwegs lässigen Frisur, die ihr euch ausgesucht habt, habt ihr jetzt sehr gemachte Haare - ich habe meinen Pixie deswegen immer zuhause direkt gewaschen und selbst in Form gestrubbelt, bei der Gelegenheit lässt sich auch gleich der Schnitt noch mal kritisch begutachten; hilft euch zwar nicht, solange ihr noch auf dem Friseurstuhl sitzt, aber bei der Entscheidung, ob ihr da nochmal hingeht.
Und egal wie teuer der Besuch war (und er ist immer teuer, selbst abzüglich der elf Cappucchinos): ist man zufrieden, gibt man gefälligst ein anständiges Trinkgeld.
Und wer nur für einen Spitzenschnitt hingeht, macht bitte nicht einen auf hysterische Langhaarkundin ala "wasch mich, aber mach mich nicht nass" - es ist wichtig, abzusprechen, was ab soll, wo genau und wieviel, aber bitte realistisch!
Mit dem Maßband nachmessen und dann weinen, oder bei 10 statt 8 gekappten Millimetern mit Anwalt drohen, ist lächerlich - selbst Gott-hab-ihn-selig-Langhaarfriseur (und, ääääh, -liebhaber, husthust)
George Michael konnte keine Haare dranschneiden.
"Können Sie mir eine flache U-Kante schneiden? Möglichst ohne viel Länge wegzunehmen?" ist eine richtig formulierte Frage und meistens machbar, bei starkem Taper wird eine gute Friseurin/ein guter Friseur euch selbst darauf aufmerksam machen, dass dafür bedeutend mehr Länge ab müsste, damit es gut aussieht und nicht wie im Suff im dunkelen Badezimmer mit der Bastelschere verbrochen.
Das machen die nicht, um euch zu ärgern, Leute.
Auch Friseure mögen zufriedene Kunden, die geben nämlich gutes Trinkgeld und kommen wieder
@Buzzword-Bingo: ich fands immer lustig, dass lange Haare gleichzeitig alt machen und kindisch wirken
