Ihr Lieben, es folgt ein
Kleiner Seifen-Crashkurs für Interessierte:
Ist eine von euch im Immobiliengeschäft tätig? Nein? ich auch nicht, aber vielleicht kennt ihr wie ich den Spruch: "Bei Immobilien zählen nur drei Dinge: 1. die Lage, 2. die Lage und 3. DIE LAGE!
Außerdem haben wir bei
den drei kleinen Schweinchen gelernt, dass die Bausubstanz ebenfalls nicht unwichtig ist
Das kombiniert kann man metaphorisch auf Seifen anwenden. Die alles entscheidende Bausubstanz in Seifen sind die Öle, die Lage-die Lage-die Lage bedeutet die Position der Öle in der INCI-Liste = ihre Gewichtung und Verteilung in der Rezeptur.
Bereits in den Seifenwäsche FAQ ist ein -sehr- wichtiger Satz aufgeführt, den ich am Anfang meines PP unter Überlegungen / Ideen / Entdeckungen / Erkenntnisse - Allgemeines vermerkt und sogar fett markiert habe, weil ich ihn für eine der zwei wichtigsten Grundregeln der Seifenwäsche halte.
Er lautet:
Die verseiften Öle sind entscheidender als die ÜF der Seife Ich werde hier im Folgenden auf den BBC zu sprechen kommen, der mir aber nicht mehr und nicht weniger denn als gutes Beispiel dient. Ich weiß, dass der BBC sehr beliebt ist und möchte ihn keinesfalls schlechtreden! Wat den Eenen sin Uhl, is den Annern sin Nachtigall - heißt es treffend und völlig zu Recht. Wer damit zufrieden ist wie z.B. Philomena* - wunderbar, bleib dabei!
Wer aber der Meinung ist - wie Râa - es könnte und dürfte doch gern noch etwas reichhaltiger sein und eine noch höhere ÜF als die 18%, die der BBC aufweist, wäre erstrebenswert, für den könnte es jetzt interessant werden:
Als allererstes und bei allem Nachfolgenden möchte ich bitten nicht zu vergessen:
Seife ist gleich Reinigungsmittel.
Seife ist ungleich Pflegemittel.
Nun ist es so, dass nicht allein die ÜF einer Seife deren Pflege- oder auch Reinigungsgrad bestimmt, auch wenn damit immer besonders hervorgehoben geworben wird: "Es befinden sich xx% freie, unverseifte Öle in dieser Seife, die Ihre Haut beim Waschen auch gleich pflegt." Joa... schon nicht schlecht, hmm? Und je mehr freie, unverseifte Öle, desto mehr Pflege, richtig? Ja, aber... Seife hat ja nun unbestritten Waschwirkung. Man wäscht sich die Haare / das Gesicht / den Körper und wäscht Schweiß, Blut und Tränen oder schlicht auch nur Staub und Dreck herunter, ach ja: Hautfett natürlich auch. Die Seife ist also in der Lage einerseits Dreck und Fett aus der Haut zu waschen, ersetzt sie aber während des Waschvorganges gleichzeitig mit den pflegenden Überfettungsölen der Seife? Doll! Findsch gut. Aber wie nur kann die Seife so gut unterscheiden, welches nun böses, dreckiges, runterzuwaschendes Fett ist und welches gute Öl -gleichzeitig- auf der Haut verbleiben darf? Hmm.... Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht.
Unbestritten ist jedoch der Effekt der sog. Rückfettung, der im Grunde o.g. meint. Dennoch: die ÜF einer Seife mildert mMn in erster Linie ihre Waschwirkung als dass sie deren Pflegewirkung erhöht. (Vgl. "Shampoo mit Öl pimpen" - das Shampoo wird durch das Öl milder eingestellt, seine Waschwirkung herabgesetzt.)
Halten wir also fest:Grundsätzlich kann man davon ausgehen: Je höher die ÜF einer Seife, desto mehr wurde ihre Waschwirkung herabgesetzt.
Also orientiere ich mich einfach an der ÜF und je höher, desto pflegender?
Nein. So einfach ist es leider nicht.
Man könnte in ein SLS-Shampoo noch so sehr Öl kippen und trotzdem wäre es wohl nie so mild und verträglich wie bspw. eine sanfte Naturseife, Kräuterwäsche oder gar WO.
Was die Pflegewirkung betrifft kommt es wie immer auf die INCI an, es kommt zwingend darauf an, -welche- Öle in einer Seife enthalten sind und natürlich in welcher Gewichtung.Verschiedene Öle haben individuell verschiedene Pflegewirkung, Pflegeintensität und Waschwirkung, machen eine Seife weicher oder härter, sorgen für mehr oder weniger Schaum, höhere oder niedrigere Ranzanfälligkeit, etc. Einen Teil davon kann man in der
Kleinen Ölkunde am Anfang meines PP nachlesen.
Nehmen wir mal als Beispiel zwei Extreme: Kokosnussöl und Sheabutter. Beide sind feste Fette, äußerst ranzstabil und machen sich extrem gut in Seife. Nur ihre Funktion ist eine völlig gegensätzliche. Kokosöl ist eines der drei Schaumfette (Kokosöl, Palmkernöl, Babassuöl) und zwar das mit Abstand waschstärkste der drei, es ist so aggressiv, dass es sogar in unverseiften Zustand bei empfindlichen Häuten (und Haaren) zu Austrocknung führen kann. Bei der Oil-Cleansing-Method (OCM, eine Form der Gesichtsreinigung) wird sogar explizit davor gewarnt, dafür Kokosöl zu verwenden, weil es so austrocknend wirkt. Sheabutter dagegen wird zur Pflege eingesetzt, sie weist - vor Avocadoöl - den höchsten Gehalt an unverseifbaren Bestandteilen auf, sie stärkt die Lipidbarriere der Hornschicht und ist daher prädestiniert für die Behandlung trockener, neurodermitischer und barrieregestörter Haut, reguliert den Feuchtigkeitsgehalt der Haut, wirkt rückfettend, beruhigend und glättend und gilt als ausgesprochen verträglich, entspannt gereizte, beanspruchte und kranke Haut.
Ergänzend möchte ich noch kurz auf
die "Mär" der Überfettungsöle eingehen:
Es ist entgegen anders lautender Aussagen zumindest bei der Kaltverseifung nicht möglich, gezielt mit einem (oder mehreren) Ölen zu überfetten, also z.B. Kokosnussöl, Mandelöl, Sonnenblumenöl zu verseifen und dann extra das gute, wirksame (und teure) Nachtkerzenöl dazuzugeben. "Mit Nachtkerzenöl überfettet" wäre - bei einer Kaltverseifung - also eine Lüge. Anders sieht es bei der Heißverseifung aus, da hierbei der Verseifungsvorgang fast vollständig abgeschlossen ist, wenn die Seife aus dem Ofen kommt (dann erst wird das Überfettungsöl dazugegeben).
Das absolute Gros der Seifen wird nach der Kaltverseifung gesiedet.
Bei der Kaltverseifung kann sich der Sieder nicht aussuchen, welche von den in der Rezeptur enthaltenen Ölen nun verseift werden und welche als Überfettung frei = übrig bleiben. Das NaOH hat da keine Vorliebe, es nimmt was ihm über den Weg läuft, bis es "aufgebraucht" ist (= die Verseifung abgeschlossen ist), die Menge an freiem Öl, die übrig bleibt = die Überfettung in %, die kann der Sieder vorab bestimmen, aber er hat keinen Einfluss darauf, welche Öle das nun sein werden. Wenn man Glück hat, ist es das gute Nachtkerzenöl, wenn man Pech hat, ist es das "böse" Kokosöl - selbst wissen wird man es nie. Bei der Kaltverseifung, wohlgemerkt.
Zwei Seifenbeispiele aus der Praxis im Vergleich:Ich habe den BBC "nachgesiedet" - natürlich nur in der Theorie! Ich habe nicht mal Kokosöl im Haus
- die INCI lauten:
Organic Coconut Oil; Organic Unrefined Cocoa Butter; Organic Virgin Shea Butter; Organic Sunflower Oil; Organic Babassu Oil; Water; Organic Coconut Milk; Organic Mango Butter; Sodium Hydroxide; Organic Castor Oil; Organic Rosemary Oil Extract
(Quelle)Ich weiß also, welche Zutaten verwendet wurden und kann auch ziemlich exakt ausrechnen in welcher Menge welche Zutat in der Rezeptur gelandet ist, als Ausgangspunkte dienen mir das Rizinusöl, das NaOH und die Flüssigkeiten. Es ist nichts als ein kleines Rechenspiel.
Und was sehen meine entzündeten Augen auf den ersten Blick?
Kokosöl an erster Stelle = das am meisten enthaltene Öl ist Kokosöl.
Kakaobutter, Sheabutter, Babassuöl, Mangobutter - jessas, keine schlechten Öle, aber alles feste Fette, die Seife muss ja hart wie Kruppstahl sein!
Moment, Babassuöl? Ein zweites Schaumfett! Oha...
Und Sonnenblumenöl, okay. Ein leichtes, nicht aufliegendes und mild pflegendes Öl, gut geeignet für Reinigungspräparate wie Reinigungsmilch oder -creme, in Make up-Entferner-Ölen oder auch Badeprodukten, in leichten Cremes für Haut mit fettender Tendenz. (vgl. Olionatura)
Und dann noch die Flüssigkeiten. Da Wasser und Kokosmilch separiert sind, nehme ich stark an, der Hersteller hat die Laugenflüssigkeit auf etwas mehr als die Hälfte reduziert und die Kokosmilch zum Schluss in dem Leim gekippt - logisch, irgendwie muss man das Zeug ja geschmeidig bekommen.
Egal wie ich die Mengenangaben in meinem "nachgesiedeten" BBC in den möglichen Parametern hin- und herschiebe, es kommt immer +/- 1 folgendes Ergebnis heraus:
Seifenqualitäten ------------------------
Normbereich ---------- BBC
Wie hart ist die Seife? --------------------- 29 - 54 --------------
54Wie aggressiv säubert die Seife? ------- 12 - 22 ------------- 25Wie intensiv pflegt die Seife? ----------- 44 - 69 ------------- 41Wie blasig ist der Schaum? --------------- 14 - 46 ---------------
27Wie cremig ist der Schaum? -------------- 16 - 48 ---------------
33Aha. "Hart wie Kruppstahl" war also keinesfalls eine Untertreibung, ganz im Gegenteil. Zwei Schaumfette - dabei Kokosöl an erster Stelle der INCI - sorgen, Kakaobutter hin oder Sheabutter her, für eine Waschkraft, die den Normbereich locker sprengt. Also richtig richtig stark entfettend. Ölkuren auswaschen? Kein Problem! Aber die Pflege... äh ja... wo?
Ach da, ja: unterhalb des Normbereiches, also so gut wie gar nicht pflegend. Gut blasiger und auch recht cremiger Schaum, nun das verwundert nicht, Kokosnuss sorgt für die Bubbles, Rizinus verstärkt die Schaumbildung, Babassu ergibt viel und cremigen Schaum, dessen Konsistenz durch Shea & Co. unterstützt wird. Alles logisch.
Naja, und dass diese Seife mit so einer abnorm hohen Anteiligkeit fester Fette nahezu unverwüstlich ist und nicht zum Ranzen neigt - kein Wunder.
Aber -oops!- wo sind denn die 18% ÜF hin, die den BBC so pflegend machen? Joa, die sind da schon drin
Aaaber... auch wenn ich dieses (und jedes andere genauso) Rezept nun bspw. mit 2% oder 8% oder 12% oder sogar 23% ansetze - dies ändert gar nichts an o.g. Werten.
Und nun nur noch kurz mein "Nussküsschen" mit 8% ÜF im Zahlenvergleich.
Zur Erinnerung die INCI: Sheabutter, Mandelöl, Babassuöl, Walnussöl, NaOH, Rizinusöl, Zitronensäure
(Babassu ist übrigens das mildeste und sanfteste der drei Schaumfette.)
Und die Werte:
Seifenqualitäten ------------------------
Normbereich ---------- Nussküsschen
Wie hart ist die Seife? --------------------- 29 - 54 --------------
34Wie aggressiv säubert die Seife? ------- 12 - 22 ------------- 14Wie intensiv pflegt die Seife? ----------- 44 - 69 ------------- 62Wie blasig ist der Schaum? --------------- 14 - 46 ---------------
23Wie cremig ist der Schaum? -------------- 16 - 48 ---------------
28Fragen?