Ich war auch noch nie angepaßt, hatte z.B. in den 80ern langes glattes Haar

(meine Dauerwell-Experimentierphase habe ich erst als Ehefrau ausgelebt).
Eine Zeitlang habe ich dafür von meiner schicken Mutter, deren oberstes Ideal Jugendlichkeit ist, ziemlich viel Kritik abgekriegt. Inzwischen hat sie es glaub ich kapiert, daß ich lieber in knöchellangen Röcken, mit Dutt und Dreieckstuch rumlaufe (was ich meinen Muhme-Rumpumpel-Look nenne, oder, wenn ich es farbenfroher mag, die verrückte Gutsfrau). Nicht immer, ich habe auch ein paar kürzere Kleider, aber Jeans oder überhaupt Hosen trage ich NIE. Ich hab gar keine mehr.
Ein paar Jahre lang, als ich so auf die 50 zuging und meine Mutter wohl noch Hoffnungen hatte, ich könnte mich doch mal jugendlicher kleiden, hat sie mir mehr oder weniger Andeutungen gemacht. Inzwischen hat sie es akzeptiert und es ist okay.
Wo ich lebe, herrscht relativ große Vielfalt, und an meinem Arbeitsplatz erst recht. Da ist wirklich Multikulti, und ich könnte auch im Sari kommen, da würden nur alle sagen, cooler Sari, wo hast du den her? Ich arbeite mit lauter Künstlern aus vielen verschiedenen Kulturen, da sind Paradiesvögel, Käuzchen und graue Tauben dabei (ich bin die graue Taube

).
Aber wenn ich in die Kleinstadt zurückfahre, in der ich aufgewachsen bin... da falle ich glaube ich schon auf.
Mir fällt ein, daß ich dort im Sommer eine getroffen habe, mit der ich auf der Schule war (Nonnenbunker). Sie hat mich sofort erkannt - sie hatte einen schicken blonden Kurzhaarschnitt, war super geschminkt und solid-teuer gekleidet, nicht auffällig, aber so, daß man sofort sah: das ist ihr wichtig. Sie sah wirklich gut aus. Ich hab sie überhaupt nicht erkannt, obwohl sie noch fast so aussah wie zur Schulzeit. Ich kam mir richtig vor wie in diesen "how not to be frumpy"-Reportagen, als VORHER. Ja eben Muhme Rumpumpel, überhaupt nicht modisch gekleidet.
Einen Moment dachte ich mir so: Mensch, sollte ich nicht auch das Beste aus meinem Typ machen...? Bin ich nicht dazu verpflichtet

? Aber mir gefallen meine Klamotten wirklich. Wenn ich könnte, würde ich mich historisch kleiden - wie eine Dame auf van Dykes Bildern. Geht natürlich nicht.
Brückenschlag zurück zum Thema: jüngeren Frauen verzeiht man modische Kapriolen bzw Verweigerung der Mode eher. Aber dafür wächst mit zunehmenden Jahren der Mut, sich dem Diktat der Mode zu entziehen. Erstens ist es einem trotz Empfindlichkeit weniger wichtig, was die anderen sagen - und sie finden ja eh immer was zu sagen. Und zweitens weiß man ganz genau, wie lächerlich einem die heutige Mode in 15 Jahren vorkommen wird! Meine Töchter meinen noch allen Ernstes, daß die Mode vor 20 Jahren scheußlich war, aber die heutige objektiv wirklich schön. Ja ja Mädels, wir sehen uns wieder, wenn Eure Töchter quietschen: waaaas, so bist du rumgelaufen, Mama?
Und was meine Haare angeht - die bleiben erstmal dran. Ich glaube, außerhalb meines Schlafzimmers hat keiner mitgekriegt, wie lang die geworden sind.... und das ist gut so.
Bernstein: bis auf die Farbigkeit sehe ich deeeeeutliche Ähnlichkeiten in unserem Geschmack. Ich weiß, daß die Freundinnen meiner Mutter denken "Lumpenmüllers Lieschen", wenn sie mich sehen

und mir gefällts!