Hier mal ein haariger Mythos der weniger mit Haarpflege zu tun hat, als vielmehr mit dem immer wieder beliebten Sujet von der Schönen Toten: es geht um
Elizabeth Siddal, Malerin und Muse für Dante Gabriel Rossetti und andere Präraffaeliten. Sie posierte unter anderem für das Gemälde
Ophelia von John Everett Millais.
Ihre blasse Schönheit und ihr wallendes rotes Haar entsprachen dem Schönheitsideal dieser Kunstrichtung derart, daß sie vermutlich eines der bekanntesten Modelle in der Geschichte der Malerei wurde, übertroffen vielleicht nur noch von Simonetta Vespucci.
Sie galt als Laudanumsüchtig, hatte eine Fehlgeburt und starb mit nur 33 Jahren an einer (versehentlichen?) Überdosis Laudanum. Ihr Ehemnann Dante Gabriel Rossetti war über ihren Tod so bestürzt, daß er glaubte, nie wieder dichten zu können, denn neben der Malerei war er auch Schriftsteller. Also legte er seinen letzten (noch unveröffentlichen) Gedichtband in den Sarg seiner Frau. Er verbarg das Büchlein in ihren offenen Haaren.
Etwa zwei Jahre später besann er sich eines Anderen und wollte das Buch zurückhaben um es zu veröffentlichen.
Was tun?
Genau.
Er erwirkte die Erlaubnis einer Graböffnung, bei der er allerdings nicht anwesend war sondern nur sein Agent Charles Augustus Howell. Die Exhumierung fand, wie sich das für eine viktorianische Schauergeschichte gehört, in der Nacht und bei brennendem Feuer statt. Howell berichtete später, und nun kommen wir zum Mythos, Elizabeth Siddal sei unverwest und schön wie immer gewesen. Mehr noch, ihr prächtiges rotes Haar sei weitergewachsen und habe den ganzen Sarg ausgefüllt.
Tja. Das mag man nun glauben oder nicht, ich persönlich glaube es nicht, aber eine schaurig-schöne Geschichte ist es trotzdem. Das Büchlein wurde übrigens tatsächlich dem Grab entnommen und später veröffentlicht.
Schöne Frauenleichen und Graböffnungen kommen in der Literatur jener Zeit häufiger vor, in Dumas „Kameliendame“ gibt es eine ähnliche Szene (hier wird die Leiche allerdings ehrlicherweise als arg ramponiert beschrieben). Auch die Werke von Edgar Allan Poe sind mit schönen toten Frauen gepflastert. Manche Literaturexperten vermuten übrigens, daß Elizbeth Siddal Bram Stoker als Inspiration für
Lucy Westenra in "Dracula" diente…