hi tenderpoison, das freut mich sehr, dass du beginnst, umzudenken!
Alles was du nicht brauchst: verkaufen! Verschenken! Und den neu gewonnen Platz genießen!
Also was mir hilft gegen das alles ist in erster Linie mal, Werbung so weit wie möglich zu vermeiden. Seit 2006 hab ich keinen Fernseher mehr (seit ich von zuhause ausgezogen bin), es ist eher so passiert, aber ich fühle mich ohne Fernseher viel ruhiger. Außerdem die Werbeblocker für den Browser. Ich lese auch keine Frauenzeitschriften oder sonstige Zeitschriften, die zu 90% aus Werbung bestehen.
Außerdem muss man sich bewusst darüber werden, dass die Wirtschaft schon lange nicht mehr da Ziel verfolgt, unsere Bedürfnisse zu befriedigen (Nahrung, ausreichend Kleidung, ...), sondern dass sie einem Wachstumsparadigma unterworfen ist, das sie dazu zwingt, uns Bedürfnisse einzureden, die wir eigentlich gar nicht haben, damit wir immer mehr konsumieren und kaufen. Die Lebensmittelindustrie lebt gut von Menschen, die immer und immer mehr essen als sie eigentlich brauchen. Der Kaufrausch lässt schnell nach und man ist verkatert. Schulden für Konsumgüter nehmen zu.
Aber es geht uns nicht allen gut, wenns der Wirtschaft gut geht. Der neoliberale Kapitalismus macht uns arm, fett, krank und unglücklich. Das klingt plakativ, ist aber nicht nur meine Meinung - man muss sich nur mal umhören. Schon überhaupt jetzt, wo das System bröckelt.
Sich einfach mal hinsetzen und überlegen, was einem wirklich wichtig im Leben ist. zB Menschen um sich zu haben, genügend gutschmeckende gesunde Nahrung, das Gefühl gebraucht und geliebt zu werden, ein Dach überm Kopf usw. Mir helfen da Gedankenexperimente wie die einsame Insel (was sind die essentiellsten Dinge die ich brauche um zB zu Überleben), das brennende Haus (Meine Wohnung, mein Haus brennt. Ich hab 5 Minuten. Was nehm ich mit?) oder ein Neuanfang (Ich hab erzwungenermaßen die Möglichkeit, von Null beginnen. Wie soll mein Lebensraum aussehen? Was würde ich kaufen? Aber auch welche Menschen sollen da sein, welche nicht?).
Ich probiere auch oft aus, ob ich ohne etwas auch zurecht komme. Ich hab zum Beispiel mal meine Mikrowelle verräumt und getestet, wie lang es dauert bis ich sie wieder raushol. Sie steht seit 6 Monaten dort (Ich hätte sie schon längst verkauft, wenn sie nicht zur Whg gehören würde). Alles was sie kann kann ein einfaches Reindl (=Topf) auch: Milch wärmen, Essen auftauen. Deswegen hab ich hier auch probiert, ob ich nur mit einem Afrokamm allein zurechtkomm. Ja, komm ich.
Bei jedem Ding überlegen, ob man es mag, ob es seinen Zweck erfüllt, ob man es im letzten Jahr benützt hat, ob man es (so man es nur selten braucht) nicht auch wo ausleihen kann, ob man es aus schlechtem Gewissen besitzt (hässliche Porzellankatzen von Tante Gerti) usw.
Und vor allem auch bei allem was man kaufen will hinterfragen, ob man das tatsächlich braucht. Oder ob man ein Fantasiekonstrukt seiner selbst im Kopf wohnen hat, das viel schlanker, kreativer, sportlicher, intellektueller, partytigeriger ist als man es selbst in Wahrheit ist. Denn diese Fantasiekonstrukte sind es doch, die wir von der Werbung usw. eingeredet bekommen, unsere heimlichen Wünsche werden gefüttert und wir fühlen uns plötzlich viel langhaariger als wir es sind, nur weil wir 50 Ficcares daheim herumliegen haben. Die wir nie alle tragen. Die blöd herumhängen und uns ein schlechtes Gewissen einreden, weil wir sie nicht tragen, weil wir noch nicht reinpassen, weil MonstermähneXY aus dem Forum eine viel größere trägt. Die uns viel Geld gekostet haben. Also Arbeitszeit = Lebenszeit. Die wir vielleicht anders nutzen wollen.
Ich halte mir also auch vor Augen, wie viel ich für etwas arbeiten muss, um es mir leisten zu können. Ob es mir die Arbeitszeit bzw. verlorene Freizeit wert ist. Viel Zeug braucht auch viel Platz. Also zahle ich wertvolle Quadratmeter (die ich auch heizen muss, möblieren und putzen), vielleicht sogar in einem Self Storage.
Ich persönlich kann mich am Besten aufs Lernen konzentrieren, wenn mein Schreibtisch absolut leer ist bis auf das was ich grade brauche. Genauso lenkt mich ein unaufgeräumtes Zimmer ab, auch wenn es mir oft nicht bewusst ist. Auch sonst merke ich, dass eine aufgeräumte Wohnung ein ruhgies, aufgeräumtes Inneres in mir erzeugt. Und ich hasse zusammenräumen. Je weniger Zeug ich besitze, desto weniger liegt blöd rum. Desto weniger Möbel brauche ich, die ich abstauben muss. Und so weiter.
Das alles halte ich mir immer vor Augen. Und all diese Strategien bewahren mich trotzdem nicht davor, sie manchmal zu vergessen und auch mal sehr böse zu werden und zu verzweifeln

Zum Beispiel beim Schampoo. Im Grunde weiß ich, dass das Angebot grotesk aufgeblasen ist und sich die Inhaltsstoffe und Ergebnisse meistens nicht sehr voneinander unterscheiden. Aber wir sind hier zumindest was Pflege angeht ja sehr kritische Konsumenten, und da merkt man schon, dass viele sehr unterschiedlich auf verschiedene Produkte reagieren.
Was das Thema "heiliger Gral" angeht, weil du gefragt hast: Ich komme mit vielen Schampoos zurecht. Zur Zeit das Balea med Ultra Sensitiv Schampoo und das Alverde Birke-Salbei. Aber ich mochte auch das Logona Mandelmilch und das Balea Avocado. Eigentlich komm ich mit allen Alverdeschampoos zurecht (außer die Blondreihe aus geruchlichen Gründen

)
Ich sehe den Begriff "heiliger Gral" allerdings kritisch. Weil es ihn nicht gibt. Das perfekte Produkt gibt es nicht, man kann auch mit dem perfekten Produkt, das man gestern noch liebte immer noch unzufrieden werden - weil man der Meinung ist es ginge noch perfekter weil man (unbewusst) auf Gephotoshoppte reinfällt oder weil man glaubt, die frisch frisierten und extra schön hingelegten Mähnen in den Längenfotos würden auch nach 5 Minuten, 5 Stunden und 5km mit dem Fahrrad noch genauso aussehen.
Und ich sag nicht, dass ich nicht selber auch oft drauf reinfalle. Besonders wenn ich einen schlechten Tag hab.
Ich frag mich eben, wie man einschätzen kann, wie groß die Unterschiede wirklich zwischen den Schampoos sind. Zum Beispiel Alverde Birke-Salbei und Avocado. Außer vom Geruch her.
Und dann natürlich die Sache mit dem Glyzerin und dem Alkohol. Ohne beidem wär ja optimal angeblich. Aber ist das wirklich so schlimm?
Und wenn man das Schampoo stark verdünnt, macht das wirklich noch so einen großen Unterschied?
Auf irgendeiner Basis muss man ja Entscheidungen treffen. Praktisch ist es, wenn man bestimmte Inhaltsstoffe zB ausschließt. Aber um diese ausschließen zu können (abgesehen von bekannten Allergien + ethischen Gründen) kommt man ja ums Testen nicht herum. Und das bedeutet auch, kaufen kaufen konsumieren.
Auf welcher Basis entscheidet ihr? Wann seid ihr der Meinung, dass die "Suche nach dem heiligen Gral" beendet ist?
Ich hoffe daher, dass ich jetzt mal 4 Schampoos zur Auswahl hab, die gut genug sind, um sie dauerhaft zu verwenden. Aber dann kommt ja noch das Thema Spülung dazu...
Ach es war so einfach als Kind. Meine Mutter hat einfach immer ein Glem Vital gekauft und zwar nur vom Geruch ausgehend nach Lust und Laune, meistens Weizenkeim, Kamille oder Kräuter. Als Jugendliche hab ich mir Balea gekauft und zwar allein vom Geruch ausgehend, weil ich eh nie Unterschiede bemerkt hab - weil ich ja auch noch nicht durchs LHN auf Unterschiede trainiert war...
Deswegen frag ich mich ja auch: Existieren die Unterschiede wirklich (so stark) wie wir es hier im LHN kommunizieren? Oder ist das ein sich aufbauschendes Konstrukt, angefeuert durch den Überfluss-Kapitalismus.
Tut mir wirklich leid für das Geschwafel und Philosophiere, Mädels, aber ich hab Schwafologie, Geister- und Gespensterwissenschaften (also u.a. Soziologie) studiert und kann auch nicht raus aus meiner Haut
Was mich grade auch besonders nervt ist dass ich ständig die Tauschbörse und 60th-street auf etsy stalken muss, weil ich ja noch meine Forke umtauschen will. Das nervt so richtig! Ich wollte schon drauf scheißen, merk aber dass ich für bestimmte Frisuren eine schmalerer Forke brauch. Dabei will ich doch endlich Ruhe haben
Ohje, ihr armen, das war jetzt wieder mal enorm viel Text.
Aber jetzt zu was positivem:
ICH hab WEATHERING! Mir wachst ein dünklerer Balken nach! Und ICH hab STRÄHNCHEN von der SONNE!
Gell, da schlackern euch jetzt die Ohren, ihr Blondies!